Frage an Claudia Roth von Florian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Roth,
Was halten Sie von dem aktuellen Arbeitsentwurf der Bundesregierung zum "Access Blocking" Kinderpornographischer Inhalte, speziell davon, dass Die Service-Provider die sog. Stopp-Seiten selber hosten und auch die Verbindungsdaten der Zugriffe speichern und auf Wunsch an das BKA weitergeben dürfen und sollen?
Was halten Sie ferner davon, die Sperrungen nun nicht mehr auf außereuropäische Websites beschränkt bleiben sollen und dass offenbar ebenso Websites gesperrt werden sollen, die die geheimen (!) Sperrlisten veröffentlichen?
(Quelle: http://www.heise.de/newsticker/Kinderporno-Sperren-Provider-sollen-Nutzerzugriffe-loggen-duerfen--/meldung/136450 )
Gerade in diesem Punkt sehe ich die Befürchtungen vieler Kritiker bestätigt, dass diese sperren auch mehr oder weniger beabsichtigt auf kritische Weblogs und Websites wie Wikileaks.org ausgeweitet werden können.
Es ist völlig unstrittig, dass man gegen Kinderpornographie vorgehen muss, doch halte ich persönlich solche Maßnahmen für völlig ungeeignet.
Mit freundlichen Grüßen,
Florian Grannemann
Sehr geehrter Herr Grannemann,
unbestritten können die Sperrungen als gesellschaftliches Signal durchaus deutlich machen, dass sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Kindern in keiner Form akzeptabel sind und dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Hierzu bedarf es aber einer rechtsstaatlich einwandfreien und unanfechtbaren Regelung durch ein Gesetz, das sowieso in den nächsten Monaten in den Bundestag kommen wird.
Die angekündigte Vorgehensweise hat erhebliche Schattenseiten: Internetsperren sind – vor allem mit der kriminellen Energie der Täter - leicht zu umgehen, zudem sind sie in dieser Form rechtlich bedenklich. Die Wirksamkeit dieser Einzelmaßnahme ist mehr als zweifelhaft. Die Bundesministerin hat durch perfiden Druck auf die einzelnen Provider die Branche entzweit und stellt die Nicht-Unterzeichner, die auf mehr Rechtssicherheit und -staatlichkeit gepocht haben, als schwarze Schafe an den Pranger. Letztlich versucht die Ministerin nur zu verschleiern, dass sie im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch jahrelang untätig gewesen ist.
Dabei brauchen wir eine Gesamtstrategie und verlässliche Strukturen beispielsweise in der Präventions- und Beratungsarbeit, um Kinder wirksam zu schützen. Nicht zuletzt bedarf es einer Stärkung der Jugendhilfe und der stärkeren Vermittlung von Medienkompetenz zum sicheren Umgang junger wie älterer Menschen mit dem Internet. All dies kostet Zeit und Geld, ist aber notwendig, um Kinderpornografie gesamtgesellschaftlich nachhaltig anstatt nur symbolisch zu bekämpfen. Ein Signal der Ächtung allein reicht dafür nicht aus. Wir müssen die technische und personelle Ausstattung der zuständigen Behörden deutlich verbessern, um die Verfolgung und Verbreitung auf allen Ebenen zu bekämpfen. Eine bessere internationale Zusammenarbeit muss auf Grundlage rechtsstaatlicher Verfahren bewirken, dass derartige Angebote nicht länger zugänglich sind. Soziale Projekte, die die Ursachen der Nutzung solcher Angebote bekämpfen, müssen ebenso gefördert werden wie die Aufklärungsarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth