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Claudia Roth
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Frage von Andre S. •

Frage an Claudia Roth von Andre S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Roth,

Auch ich habe ihre empörte Äußerung zur Haltung des Papstes bezüglich der Kondome den Medien entnommen.

Der Direktor des Forschungsprojekts Aids-Prävention an der Harvard University hat die Haltung des Papstes aus wissenschaftlicher Sicht unterstützt.

Ich zitiere:

"25 Jahre Forschung hätten gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen dem verstärkten Gebrauch von Kondomen und einer niedrigeren HIV-Infektionsrate nicht nachweisbar sei.

Afrika wird ohne sein eigenes Zutun nicht genesen. Als Beispiel kann Uganda gelten. Dort hatte eine Kampagne der Regierung eheliche Treue propagiert, worauf die HIV-Infektionsrate um zwei Drittel gesunken ist. Nach der Kondom-Kampagne westlicher Aids-Bekämpfer schnellte die Rate im Jahr 2004 wieder hoch. Der Grund: Je einfacher Kondome erhältlich sind, sagt der Afrika-Kenner Green, desto höher ist die Infektionsrate, da bei der Verwendung von Kondomen mehr Risiken in der sexuellen Aktivität eingegangen werden. Aids-Programme müssen daher vor allem auf Verhaltensänderungen abzielen."

http://www.merkur.de/2009_13_leiter_aids.33328.0.html?&no_cache=1

Auch habe ich gestern gelesen, dass westliche Großstädte wie Washington D.C. eine höhere HIV-Infektionsrate haben als Westafrika, obwohl dort sei Jahrzehnten kostenlos Kondome verteilt werden.

http://www.welt.de/politik/article3457599/Der-Papst-die-Kondome-und-das-Beispiel-Uganda.html

Auch in Deutschland steigen die Neuinfektionen trotz Kondomen stark an. 65% sind schwule Männer, der Rest hauptsächlich Drogensüchtige, Prostituierte und Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern.

http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/07/878077.html

Diejenigen Menschen, die sich an den Empfehlungen des Papstes orientieren, sind praktisch nicht betroffen. Auch die wissenschaftlichen Fakten sprechen offenkundig für die Haltung des Papstes.

Warum empören Sie sich so über den Papst, obwohl er so verantwortungsvoll und umsichtig die Realität erkannt und Lösungen aufgezeigt hat?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Starke,

die Sicht vom genannten Forschungsprojekt-Direktor und seine Interpretation der Statistik ist nur eine von vielen Meinungen in der Wissenschaftswelt, die mit überwiegender Mehrheit der Meinung ist: Kondome schützen!

Auch die Uganda-These ist eher ein Reflex, um von der berechtigten Kritik an den Papst-Äußerungen abzulenken.

Es ist das gute Recht des Papstes, für seine Vorstellungen von Sexualität und spirituellem Erwachen zu werben und die Gläubigen seiner Kirche dazu einzuladen. Als Oberhaupt der katholischen Kirche weiß er aber auch, dass diese Vorstellungen nicht einmal innerhalb des eigenen „sittlich gefestigten“ Klerus eins zu eins eingehalten und gelebt werden. Als Beispiele seien hier die vielfältigen sexuellen Kontakte von Geistlichen der katholischen Kirche oder der sexuelle Missbrauch von Kindern in etlichen Ländern und Gemeinden erwähnt. Wie soll es dann bei Millionen Menschen aussehen, die sich in ihrem Alltag selektiv-pragmatisch an den Lehren der katholischen Kirche orientieren? Die Kondom-Kritik des Papstes macht jahrelange Gesundheits- und Aufklärungsarbeit zunichte, in denen erfolgreich vermittelt wurde, dass Kondome schützen. Diese Tatsache ist unbestritten, wissend, dass Pannen auch hier nicht ausgeschlossen werden können. Die Autorität des Heiligen Vaters hat die fatale Wirkung, dass die Fortschritte und Erkenntnisse in der gesundheitlichen Bildung nun leicht und mit „gutem Gewissen“ ignoriert werden können.

Es wäre kein Widerspruch gewesen, für ein anderes Sexualverhalten einzutreten, die Menschen zum spirituellen Erwachen zu bewegen und trotzdem angesichts der schützenden Funktion von Kondomen auf eine Verteufelung dieser zu verzichten. Kondome lösen das AIDS-Problem nicht. Sie helfen aber, sich bei fehlenden Informationen über die gesundheitliche Verfassung des/r Partners/in oder bei anonymen sexuellen Kontakten zu schützen. Dies zu verschweigen, ist unverantwortlich.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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