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Frage von TOBIAS R. •

Frage an Claudia Roth von TOBIAS R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

faz.net (http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E1FF35398B5AB49648C8E73143CFDC64E~ATpl~Ecommon~Scontent.html) zitiert Sie im Zusammenhang mit der Kampagne einiger polnischer Politiker gegen die Vorsitzende des Bundes der Vertiebenen mit der Behauptung "´Pöstchen´ seien Frau Steinbach wichtiger als die Aussöhnung mit Polen." Können Sie näher erläutern, inwieweit Frau Steinbach Anlass zur Ansicht gibt, sie sei gegen die Aussöhnung mit Polen?
Zweite Frage: Wie stehen Sie zur Idee eines multikulturellen Polens, in dem Polen und Deutsche, Christen wie Juden wie in der Zeit vor dem Nazismus wieder als gleichberechtige Bürger zusammenleben können? Wie könnte man im Rahmen eines solchen multikulturellen Konzepts die Wiederansiedlung vertriebener Deutscher bzw. deren Nachfahren in Polen im Sinn einer kulturellen Bereicherung der ehemals deutschen Gebiete unterstützen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Rüger,

zur Beantwortung Ihrer ersten Frage möchten wir auf die Antworten an die Herren Rüstau und Adam an dieser Stelle verweisen. Es gibt hier relativ deutliche Überschneidungen. Was Ihre Frage zur Multikulturalität angeht, so möchten wir darauf hinweisen, dass die Idee der Multikulturalität, des friedlichen und gedeihlichen Zusammenlebens von Kulturen, noch niemals so sehr missachtet wurde wie zur Zeit der deutschen Besetzung Polens im 2. Weltkrieg. Rund 6 Millionen Polen haben durch deutsches Verschulden, durch den 2. Weltkrieg und die Nazigreuel ihr Leben verloren - durch direkte Kriegshandlungen, durch systematischen Völkermord, durch Exekutionen, durch Gefängnis und Lagerhaft, durch Hunger und Entbehrungen auch außerhalb der Lager und durch die Vertreibungen und Deportationen im Zuge der brutalen Germanisierungspolitik der Nationalsozialisten, die auch in Polen ein kulturell, sprachlich und "rassisch" einheitliches deutsches Siedlungsgebiet schaffen wollten. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach einer deutschen „Wiederansiedelungspolitik“ in Polen ein Hohn auf die Geschichte. Aus Deutschland sollten Signale der Versöhnung und Verständigung kommen, und keine neuen Besiedelungsprogramme.

Im Übrigen ist Polen heute Mitglied der EU. Das Land wächst in einem Angleichungsprozess in eine Staatengemeinschaft hinein, die ihren Bürgern Freizügigkeit gewährt. EU-Bürger können in anderen EU-Staaten leben, ganz ohne „Ansiedlungsprogramme“. Die EU-Staaten garantieren den Schutz der Menschen- und Freiheitsrechte, den Schutz vor ethnischer oder kultureller Diskriminierung – samt der Möglichkeit rechtlicher Gegenwehr, wenn diese Rechte verletzt werden. Bei allen Problemen, die es gibt, ist Europa auf einem guten Weg hin zu einem multikulturellen demokratischen Zusammenleben, was das genaue Gegenteil ist zur rassistischen und diktatorischen Siedlungspolitik der Nazizeit.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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