Frage an Claudia Roth von Michael V. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Roth,
Ihren Aussagen nach zu deuten sind Sie der Meinung, dass Israel die palästinensische Zivilbevölkerung nicht so schont, wie es das Kriegsvölkerrecht vorschreibt. Da nach meinem Wissensstand das Kriegsvölkerrecht zunächst jeden beteiligten gebietet, seine Soldaten und kriegswichtigen Anlagen von der Zivilbevölkerung möglichst zu trennen - andererseits es jedoch jeder Kriegspartei gestattet ist, die erforderlichen Mittel zur Bekämpfung dieser Anlagen und Soldaten ein zu setzen (unabhängig davon, in wieweit sich die Gegenseite an den ersten Punkt hält), würde ich es begrüßen, wenn Sie kurz darlegen könnten, wo genau Israel das geltende Kriegsvölkerrecht nicht beachtet hat. Zudem würde ich mich freuen, wenn Sie darüber Auskunft geben könnten, wie Sie als Politikerin den ständigen und immer stärker werdenden Beschuss mit Raketen auf die israelische Bevölkerung auf andere Weise und mit weniger Opfern wirksam beendet hätten.
Sehr geehrter Herr Vöcking,
in den vorangegangenen Fragen haben wir klar gestellt, was wir völkerrechtlich bedenklich finden.
Es war und bleibt unverhältnismäßig, wenn UNO-Einrichtungen, Krankenhäuser und Schulen bombardiert werden, wenn ein Drittel der Getöteten und Opfer Kinder sind und wenn weißer Phosphor in einem dicht besiedelten Gebiet wie dem Gaza-Streifen eingesetzt wird.
Der Raketenbeschuss der israelischen Siedlungen durch die Hamas oder andere Splittergruppen ist ein aggressiver und mit nichts zu rechtfertigender Akt, der ein Ende haben muss. Das Problem wird man aber nicht lösen können, indem alle Teilnehmer weiterhin in einer militärischen Logik verfangen bleiben. Diese Vorgehensweise wird auch in Ihrem Fragetext deutlich. Die Suche nach der Antwort auf die Frage, was war zuerst da, Ei oder Huhn im Israel-Palästina-Konflikt ist in dieser komplizierten Situation nicht zielführend. Ebenso irreführend ist die Detailverliebtheit mancher Anhänger von militärischen Lösungen, einzelne eindeutig unverhältnismäßige Aktionen mit der geografischen Lage oder mit dem taktischen Vorgehen der anderen Seite zu rechtfertigen.
Vordringlich sind für uns deshalb Antworten auf folgende Fragen: Wie gelingt es, weitere Gewalt auf beiden Seiten – in Gaza und im Süden Israels – zu vermeiden? Wie lässt sich die dramatische humanitäre Lage der bedrohten Menschen in Gaza schnell verbessern? Und wie kann endlich wieder ein Weg gefunden werden, um die notwendigen politischen Schritte und eine Rückkehr zu einem echten Verhandlungsprozess einzuleiten? Dies ist aus unserer Sicht viel wichtiger, als den in Deutschland besonders erbittert und oft polemisch geführten Streit um die vermeintlich „richtige Haltung“ im Nahostkonflikt zu führen. Das geschieht oftmals mit grober Schwarz-Weiß-Malerei.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth