Frage an Claudia Roth von Michael B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Roth,
in Ihrer Pressemitteilung vom 30.12.2008 bezeichnen Sie die militärischen Aktionen Israels im Gazastreifen als unverhältnismäßig.
Können Sie bitte noch ergänzen, welche Gegenwehr Sie Israel als verhältnismäßig zugestehen würden?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Bilharz
Sehr geehrter Herr Bilharz,
verhältnismäßig ist eine Reaktion, die nicht mit verbotenen Mitteln zustande kommt und die nicht mit einem Verstoß gegen Grundregeln des humanitären Völkerrechts einhergeht. Denn das Recht im Kriege stellt einen Kompromiss zwischen militärischen Notwendigkeiten und den Geboten der Menschlichkeit dar. Wenn auch Kinder und Frauen als Schutzschilde missbraucht werden, entbindet das die israelischen Politiker und Kommandeure nicht von ihrer völkerrechtlichen Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schonen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die Aufgabe ist kolossal: Eine starke und hochgerüstete Armee wird schnell zum Völkerrechtsbruch verleitet und öffentlich vorgeführt. Die Kritik von John Ging, UN-Diplomat und Leiter von UNRWA im Gaza-Streifen, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge, ist richtig: „Es ist legitim, sich gegen die Raketen der Hamas zur Wehr zu setzen, aber nicht mit dieser Unverhältnismäßigkeit. Die Luftwaffe hat nicht nur Raketendepots zerstört, sondern auch das Gebäude des Parlaments und das Anwesen des Palästinenserpräsidenten. Die Frage muss gestellt werden, welchen Zweck es hat, dass Israel jene Institutionen zerstört, die später einmal zu den Grundpfeilern eines Palästinenserstaates gehören werden. Israel ist den Beweis schuldig, was das Parlamentsgebäude in Gaza mit dem Terror der Hamas zu tun haben soll.“ Weiter an einer anderen Stelle: „Ich weiß nicht, wo Hamas Waffen versteckt oder Raketen zusammenbastelt. Was ich weiß ist, dass die Bevölkerung nicht fliehen kann. Die Menschen im Gaza-Streifen sitzen in einer Falle: Auf der einen Seite liegt das Meer, auf der anderen die Grenze zu Israel, die gesperrt ist. Der Einsatz der israelischen Armee ist unverhältnismäßig.“ (Süddeutsche Zeitung vom 07.01.09).
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth