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Frage von Florian A. •

Frage an Claudia Roth von Florian A. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Roth,

es gibt den § 180b Absatz 2 Nr. 2, Absatz 3 StGB, darin wird beschrieben, daß Personen, die andere Personen unter 21 Jahren zur Prostitution überreden, sich strafbar machen! Der Gedanke geistig noch nicht vollausgebildete Heranwachsende vor denen für sie nicht sichtbaren Folgen von Prostitution zu schützen, ist grundsätzlich eine positiv zu bewertende Sache!

Nun kommt der Hasenfuß, junge Frauen und auch in Ausnahmefällen Männer, die fest entschlossen sind ihre eigene wirtschahftliche Not durch Anbietung von Prostitution aus der Welt zu schaffen, wollen meist denken sie so, vorübergehend so Geld beschaffen, um akute finanzielle Engpässe zu beenden. Da Betreiber von sogenannten "Etablissements" hier mit dem beschriebenen Paragrafen in Konflikt geraten könnten, lehnen sie hier in Bayern die Zimmervermietung ab, es sei den die Damen können nachweisen, behördlich registriert in an anderen Bundesländern bereits als Prostitutierte gearbeitet zu haben! Schlicht und ergreifend wird dieser Altersgruppe von 18 bis 21 grundsätzlich verwehrt in festen "Clubs" oder "Wohnungen" zu arbeiten, aber der sogenannte Straßenstrich ist diesen Damen offen, der m.A. nach eine deutlich höhere Gefährdung dieser Frauen bedeutet.

Ich habe selber erlebt, wie die Polizei aufgrund dieses Paragrafen einen "üblen Zuhälter" dingfest gemacht hat! Al Capone hat man auch wegen Steuerhinterziehung verknackt! Aber dies ist das schwerste Vorwurf gegen ihn, obwohl er mir auch mei einer Waffe gedroht hat! Selbst als Betroffener hinterfrage hier mal den Rechtsstaat, unter der Kenntnis der weiteren Auswirkung dieser Rechtslage! Es gibt Personen in diesem Altersabschnitt, die durch diese Regelung in die Straßenprostitution abgedrängt werden. Waäre hier nicht weniger Strafrecht mehr Streetwork wichtig um diesen Person zu helfen? Ich würde mich über eine Antwort freuen!

MfG
Florian Albrecht

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Sehr geehrter Herr Albrecht,

der von Ihnen angeführte und grundsätzlich positiv bewertete § 180b Absatz 2 Nr. 2, Absatz 3 StGB ist zwar nicht mehr in Kraft. Die entsprechende Altersgrenze von 21 findet sich allerdings seit 2005 in § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB (Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung). Hier heißt es:

"(1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder dazu bringt, sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu den sonst in Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen bringt."

Hierbei geht es darum, dass eine Person zur Prostitution gebracht wird, die nicht ohnehin schon aus freien Stücken dazu entschlossen war. In diesen Fällen wird im Kontext von Menschenhandel von einem besonderen Schutzbedürfnis ausgegangen, das auch die Spanne zwischen 18 und 21 Jahren umfasst, da viele Opfer von Menschenhandel in diesem Alter sind und zum Teil nicht überblicken können, worauf sie sich einlassen. Sachverständige hatten in der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages darauf hingewiesen, dass hier ein besonderes Schutzbedürfnis besteht.

Sie argumentieren in die Richtung, dass es durch diese Strafnorm Prostituierten grundsätzlich verwehrt werde, in festen Clubs oder Wohnungen zu arbeiten, so dass nur der Straßenstrich bleibe, weil Bordellbetreiber in Bayern von der Zimmervermietung abgehalten würden, wenn nicht die Prostituierte nachweise, bereits behördlich registriert in einem anderen Bundesland als Prostituierte gearbeitet zu haben. Dazu ist zu sagen, dass die Strafvorschrift des § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht greift, wenn die Prostituierte aus eigener Initiative auf einen Vermieter oder Bordellbetreiber zukommt. Dies lässt sich auch anders nachweisen als durch vorherige Registrierung in einem anderen Bundesland. Möglich sind zum Beispiel Zeugenaussagen. Hinzu kommt, dass die Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte dafür haben und in einem späteren Prozess auch nachweisen müssen, dass der Bordellbetreiber die Person zur Prostitution gebracht hat. Die Gesetzeslage ermöglicht es also, Zimmer auch an 18 - 21jährige zu vermieten, die sich aus eigener Initiative zur Prostitution entschieden haben.

Die besondere Vorsicht in Bayern, die aus Ihrem Beispiel spricht, ist nicht geeignet, die gesetzliche Regelung des strafrechtlichen Schutzes zu delegitimieren, die auch mit dem Prostitutionsgesetz zu vereinbaren ist.

Die Intention des rot-grünen Prostitutionsgesetzes war die Verbesserung der Stellung der Prostituierten, nicht der BordellbesitzerInnen und ZuhälterInnen. Das ist durchaus geglückt, die Organisationen der Prostituierten stellen klar fest, dass sich ihre Situation durch das Gesetz verbessert hat. Ein großes Problem des Gesetzes liegt allerdings in der mangelnden Umsetzung in den Ländern, gerade Bayern verfolgt einen eher restriktiven Kurs. Wir gehen davon aus, dass es Frauen und Männer gibt, die ihr Geld mit sexuellen Dienstleistungen verdienen wollen. Wir wollen, dass sie dies so abgesichert tun können wie möglich, denn die Arbeit als Prostituierte ist in hohem Maße unsicher, häufig gesundheitsgefährdend oder gar gefährlich. Aus Grüner Sicht lässt sich dies am besten mit einer Legalisierung dieser Arbeit erreichen, die den Prostituierten so viele Rechte einräumt wie möglich. Daher ist auch im Prostitutionsgesetz geregelt, dass dieser Beruf anders ist als andere. So dürfen zum Beispiel die Bestimmungen in Arbeitsverträgen für die Prostituierten über Zeit und Ort der Tätigkeit nicht hinausgehen, auch eine Kündigungsfrist für die Prostituierte darf es nicht geben. Die Freier können aus dem Vertrag keine Ansprüche auf sexuelle Leistungen gegenüber den Prostituierten herleiten. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz schützt die Prostituierten, nicht aber die Freier oder die Bordellbetreiber. Dafür wurde bewusst der Weg eines einseitig verpflichtenden Arbeitsvertrags gewählt.

Beim Menschenhandel sehen wir die Bundesregierung in der Pflicht, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Leider sind von dieser nur Krokodilstränen für die Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution zu erwarten. Schutz- und Hilfsmaßnahmen, die für Betroffene eine wirkliche Unterstützung bedeuten würden, hat die Bundesregierung ihnen im Zuwanderungsänderungsgesetz erneut versagt. So ist die Bedenkzeit von einem Monat, den die Bundesregierung den Opfern zugesteht, viel zu kurz. Viele der Frauen sind schwer traumatisiert und benötigen mehr als einen vierwöchigen Abstand vom Erlebten. Auch müssen sie in dieser Zeit ausreichende medizinische und therapeutische Maßnahmen erhalten - dies ist bisher häufig nicht der Fall. Völlig verfehlt ist es außerdem, sie in die Gemeinschaftsunterkünfte illegal eingereister Ausländerinnen und Ausländer zu verteilen, wo die Täter sie jederzeit finden können. Sie bedürfen eines geschützten Raumes, in dem sie sich sicher fühlen können. Diese zentralen Forderungen aus der EU-Opferschutzrichtlinie hat die Bundesregierung bewusst nicht umgesetzt. Sie wird ihren humanitären Verpflichtungen nicht gerecht und tut sich damit auch selbst keinen Gefallen: Die Opfer erweisen dem Staat mit ihrer Aussage einen wertvollen Dienst. Für die Bereitschaft, sich dem Risiko einer Aussage auszusetzen und ihre traumatischen Erfahrungen öffentlich darzulegen, haben sie die volle Unterstützung verdient.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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