Frage an Claudia Roth von Hussein A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Tag, Frau Roth.
Da u.a. ihre Partei im Grunde einstimmig bei der Bundestagssitzung für diese Verfassung gestimmt hat, gehe ich davon aus, dass sie sich als Vorsitzende der genannten Partei in Sachen Gesetzesfragen usw ausreichend auskennen sollten. So möche ich fragen inwiefern Teile der EU-Verfassung mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik vereinbar sind.
Zum Beispiel frage ich mich ob die EU-Verfassung gemäß Art. 146 des GG nicht unzulässig wäre(„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."), wobei die Betonung auf dem letzten Teil des Zitats aus dem GG liegt. Denn der Beschluss der Bundesrepublik, eine neue Verfassung zuzulassen, ging weder vom "deutschen", noch von dem in Deutschland lebenden Volke aus.
Ausserdem wäre es, angesichts der Tatsache dass ihre Partei sich (Ihrer Definition von Menschenrechten und Demokratie nach) stärker als alle anderen Parteien für Menschenrechte und Meinungsfreiheit ausspricht, interessant folgendes zu wissen:
Wie ist dieser Art. der Eu-Verfassung zu verstehen?
Zitat:
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Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden. [...]
A) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
"Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um...
a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
b) jemanden rechtmäßig festzunehmen [...]
!!! c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen". !!!
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Meine Frage bezieht sich aus den mit Ausrufezeichen markierten Teil.
Was hat man unter Aufständen zu verstehen? Sind mit Aufständen Ausschreitungen wir vor kurzem in Athen gemeint oder Proteste wie z.B. der Anti-Islamisierungs-Protest vor längerer Zeit in Köln?
Sehr geehrter Herr Akil,
mit Halbwissen und Verschweigen von Errungenschaften der EU lässt sich keine seriöse Debatte über die Zukunft der EU führen.
Der Vertrag von Lissabon kann und darf das Grundgesetz nicht aushebeln und er tut es unseres Erachtens auch nicht. Wir beobachten mit Interesse, dass manche Kreise versuchen, dem Vertrag von Lissabon eine beispiellose Militarisierung zu unterstellen und diese gegen ein vermeintlich friedfertigeres Grundgesetz und eine friedfertigere VN-Charta auszuspielen. Das ist unseres Erachtens nicht haltbar und wird auch in kaum einem anderen EU-Land so wahrgenommen.
Das Verbot eines Angriffskrieges im Grundgesetz korrespondiert mit dem Gewaltverbot der VN-Charta. Das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 VN-Charta erlaubt die individuelle und kollektive Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat andere erforderliche Maßnahmen getroffen hat. Jenseits des Verteidigungsfalles muss der Sicherheitsrat nach Art. 39 feststellen, ob eine Friedensgefährdung vorliegt und ob darauf mit friedlichen (Artikel 41) oder militärischen (Artikel 42) Sanktionsmaßnahmen reagiert werden soll.
Die VN-Charta kennt auch – was kaum jemand weiß – eine sehr weitgehende Beistandspflicht (Art 43). Nach der sind alle Mitglieder der Vereinten Nationen u. a. verpflichtet, „nach Maßgabe eines oder mehrerer Sonderabkommen dem Sicherheitsrat auf sein Ersuchen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, Beistand (zu) leisten und Erleichterungen einschließlich des Durchmarschrechts (zu) gewähren“. Da es diese Sonderabkommen nicht gibt, konnte diese Beistandspflicht bislang noch nicht in Anspruch genommen werden. Der Sicherheitsrat kann aber regionale Abmachungen, die „mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen vereinbar sind“ auch für die Durchführung von Zwangsmaßnahmen (Art. 53) in Anspruch nehmen.
Was die Passagen zur legalen Tötung angeht, lässt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) tatsächlich unter bestimmten Umständen die Todesstrafe zu. Dies war aber der Kompromiss, der zum Zeitpunkt der Erarbeitung der EMRK vor Jahren erreicht werden konnte. Dies wäre aus unserer Sicht in der Tat inakzeptabel. Daher sind dann in der Folge zwei Zusatzprotokolle zur EMRK verfasst worden, mit denen die Todesstrafe unter allen Bedingungen abgeschafft wird. Dabei handelt es sich um das 6. und das 13. Zusatzprotokoll. Deutschland und eine Zahl der Europarats-Mitglieder haben diese beiden Protokolle unterzeichnet und ratifiziert. Damit hat sich die EU wie auch Deutschland durch sein Grundgesetz, zu einem höheren Schutz verpflichtet als von der EMRK vorgesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth