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Claudia Roth
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Frage von Dr. med. Joachim K. •

Frage an Claudia Roth von Dr. med. Joachim K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau MdB Claudia Roth.

3 Fragen bitte:
(Es geht mir hier um den Schutz der Bevölkerung vor der Tabak-Drogen-Verführung, nicht erstrangig um Nichtraucherschutz!)

I) Im US-Bundesstaat Kalifornien sparten Anti-Rauch-Gesetze die gigantische Summe von 86 Milliarden Dollar (1).
Sollten Die Grünen nicht solche erfolgreichen Maßnahmen fordern?

II) Ich halte die, m.E. durch die TABAK-DROGEN-INDUSTRIE künstlich gemachte, Tabaksucht (2) mit jährlich 140.000 Toten (3) in Deutschland für das größte Verbrechen seit 1945. Wie beurteilen Sie die Suchterzeugung mittels Schleichwerbung bis weit ins Kinderfernsehen (4) und undeklarierten suchterzeugenden Zusatzstoffen(2), sowie mittels Fehlinformation(2) , Forschungsverfälschung (5) und subversivem Lobbyismus (2)?

III) Sollte es nicht noch mehr Herzensanliegen der Grünen werden, wenn es um die Vermeidung von über 10.000.000-15.000.000 deutscher chronisch Tabak-Drogen-Folgen-Erkrankter (6) geht?

Bitte berücksichtigen Sie bei Ihren Antworten, dass Frauen und sozial Schwache in ganz besonderer Weise betroffen sind (2)(3).
Bitte berücksichtigen Sie dabei das Statment des Weltnichtrauchertages:
"Die Tabakindustrie hat der öffentlichen Gesundheit den Krieg erklärt" und "Eins der vorrangigen Ziele der Tabakindustrie ist, zu suggerieren, dass Rauchen eine individuelle Verhaltensentscheidung darstellt. Die Irreführung besteht darin, dass die Aktivitäten und Praktiken der Tabakindustrie völlig unberücksichtigt bleiben." (7)

Mit (ohn?)mächtiger Wut
Dr. med. Joachim Kamp
Hausarzt / Hospizarzt

(1) http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_allgemeinmedizin_vorsorge_rauchen_121976061893.htm
(2) Prof. Michael Adams: "Das Geschäft mit dem Tod" Zweitausendeins 10/2007
(3) Deutsche Krebshilfe; DKFZ; BZgA ; UVAM
(4) Bätzing-Studie: Tabak im Film
(5) "Vom Teufel bezahlt ..." 3/07 Deutsches Ärztblatt
(6) eigene Schätzung/Hochrechnung
(7) http://www.who-nichtrauchertag.de/html/wnrt00.html

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Dr. Kamp,

zentraler Ansatzpunkt der Aktivitäten in Kalifornien war die Erhöhung von Steuern. Diesen Weg haben wir Grünen in der letzten Legislaturperiode - in Regierungsverantwortung - umgesetzt. Wir haben uns dabei für eine einmalige große Erhöhung ausgesprochen, konnten uns damit jedoch nicht durchsetzen, so dass es zu mehreren kleineren Erhöhungen der Tabaksteuern gekommen ist. Im von der Fraktion im Juni 2006 verabschiedeten Eckpunktepapier "Wirksamen Schutz vor Passivrauchen endlich umsetzen!" fordern wir die Steuersätze für Tabakerzeugnisse (Volumentabake/Feinschnitt, Pfeifentabak, Zigarren/Zigarillos und Schnupf- und Kautabake) anzugleichen. Ebenso fordern wir, dass die Bundesregierung mit Nachdruck auf eine Harmonisierung der Tabaksteuersätze innerhalb der EU hinwirkt, um Verlagerungen des Kaufs von Tabakerzeugnissen ins angrenzende Ausland zu vermeiden. Auch den Schmuggel von Tabakwaren gilt es in diesem Sinne weiter zu bekämpfen.

Für Deutschland scheint es uns die vorrangige Aufgabe, die Tabakwerbung sehr deutlich zu beschränken. Daher setzen wir uns für ein umfassendes, über die Regelungen der EU-Tabakwerberichtlinie hinausgehendes nationales Werbeverbot ein. Die Werbung auf Plakaten soll verboten werden. Die Werbung in Kinos soll erst ab 20 Uhr und nur bei Filmen, die ab 16 Jahren freigegeben sind, erlaubt sein. Die Werbung in Printmedien ist auf branchenspezifische Magazine für in der Tabakindustrie tätige Personen einzugrenzen. Das Sponsoring im Inland wird analog zum in der EU-Tabakwerberichtlinie verbotenen Sponsoring grenzüberschreitender Veranstaltungen geregelt. Darüber hinaus werden alle EU-Vorstöße in Richtung einer Kontrolle des sogenannten „product placement“ in Filmen im Bezug auf Tabakprodukte unterstützt.

Es ist sinnvoll und notwendig, die Vorgehensweisen der Tabakindustrie wie Schleichwerbung, gefällige Forschungen usw. aufzudecken. Wir greifen auf derartige Publikationen zurück und suchen die politischen Ansatzpunkte. Wir können der Tabakindustrie nicht verbieten, Studien in Auftrag zu geben, ebenso wenig wie wir politisch verhindern können, dass WissenschaftlerInnen solche Aufträge annehmen. Inzwischen ist es im medizinischen Kontext immerhin Usus, Angaben über mögliche Interessensverflechtungen vorzusehen.

Der zentrale politische Hebel ist aus unserer Sicht der Umgang mit den Zusatzstoffen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Liste der Zusatzstoffe in Tabakprodukten den jeweiligen Tabakwaren beigelegt werden muss. Notwendig sind zusätzlich Informationen zur Risikobewertung der jeweiligen Stoffe.

Wir haben uns in der politischen Arbeit dieser Legislaturperiode insbesondere für den Schutz von PassivraucherInnen stark gemacht und sind hier weiter aktiv. Dabei können wir mit Fug und Recht behaupten, weder utopische Vorschläge wie sie vereinzelt aus der SPD kamen, noch dem Klein Klein der Regierungsfraktionen gefolgt zu sein. Unsere Vorschläge zur Verankerung von Rauchverboten an allen Arbeitsplätzen im Arbeitsrecht sind in einem ersten Anlauf an SPD und Union gescheitert. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes haben wir neue Initiativen in den Bundestag eingebracht, die in erster Lesung in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten im Plenum des Bundestages beraten werden. Sie können unseren "Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung eines umfassenden Schutzes vor Passivrauchen im Arbeitsschutzgesetz" und den Antrag "Bundesweit einheitlichen Schutz vor Passivrauchen in Gaststätten verankern" mit den Drucksachennummern 16/10337 und 16/10338 nachlesen unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/103/1610337.pdf und http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/103/1610338.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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