Frage an Claudia Roth von Udo B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Roth,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Reaktion auf den "Fall Kaupthing" in der gestrigen Sendung "Johannes B. Kerner". Soweit mir bekannt ist, haben Sie als erste Politikerin erkannt, dass die Kaupthing-Sparer eben nicht gierig waren und jedenfalls nicht bewusst ein erhöhtes Risiko eingegangen sind als andere deutsche Sparer.
Sie sprachen auch die Garantie für die Einlagen deutscher Sparer durch Frau Merkel und Herrn Steinbrück an - und zweifeln offenbar auch an dieser "Garantie". Meiner Meinung nach ist eine solche staatliche Garantie aber in der aktuellen Situation der Finanzmärkte dringend nötig. Auch das deutsche Einlagensicherungssystem würde bei einem Zusammenbruch einer nennenswerten Zahl deutscher Kreditinstitute keine ausreichenden Mittel zur Verfügung haben um die Sparer zu entschädigen. Im Gegenteil: Die Ereignisse um die Lehman-Krise haben den deutschen Einlagensicherungsfond bereits an den Rand seiner Leistungsfähigkeit getrieben. Nicht auszudenken was passiert, wenn ein oder zwei große deutsche Banken zahlungsunfähig werden (uns sei es "nur", weil zigtausend Sparer gleichzeitig ihr Geld "in Sicherheit" bringen möchten und es abheben). Eine politische "Garantie" der Sparguthaben hilft in einer solchen Situation nicht weiter. Was gebraucht wird ist eine gesetzlich festgeschriebene Garantie - wie sie in anderen Ländern mittlerweile längst vorhanden ist.
Wie stehen Sie zu dieser Thematik? Arbeitet Ihre Partei daran die öffentlich geäußerte Einlagengarantie für die deutschen Sparer auch gesetzlich zu verankern? Welche sonstigen Maßnahmen werden von B90/Die Grünen betrieben um die Risiken für die privaten Sparer in Zukunft zu begrenzen? Es kann ja nicht sein, dass man mehrere Semester Wirtschaftswissenschaften studieren muss um sein Geld "sicher" anlegen zu können.
Mit freundlichen Grüßen,
Udo Baumgart
Sehr geehrter Herr Baumgart,
im Grunde lassen sich Ihre Fragen in zwei separate Punkte aufteilen. Zunächst geht es darum, wie sichergestellt werden kann, dass Anleger die für sie richtige Entscheidung treffen. Weiterhin fragen Sie, wie diese einmal angelegten Gelder dann in Krisenzeiten und insbesondere für den Fall eines sogenannten Bank-Runs zu schützen sind.
Was zunächst die Frage der richtigen Investitionsentscheidung angeht, so stimmen wir Ihnen zu. Die Komplexität und Unübersichtlichkeit ist erschreckend. Wir Grüne haben das Leitbild des mündigen Anlegers vor Augen, der - sei es als Sparer bei Festgeldanlage oder sei es als Anleger bei Wertpapieren - in der Lage sein muss, eine eigenständige Investitionsentscheidung zu treffen. Nur bedarf es dazu einer transparenten und vor allen Dingen verständlichen Informationsgrundlage. Diese Grundlage gesetzlich und für vergleichbare Produkte auch einheitlich zu schaffen, haben wir Grüne uns zur Aufgabe gemacht. Für Bürgerinnen und Bürger, die sich bei Finanzprodukten an ihre Bank wenden, muss wiederum gewährleistet sein, dass der Berater sich an den Bedürfnissen der Kunden und nicht an Provisionen orientiert. Auch hier wollen wir Anreize schaffen. Wir haben daher im Gegensatz zu den anderen Parteien bei der Aufarbeitung der Finanzmarktkrise den Verbraucher als unmittelbar Betroffenen nicht vergessen. Näheres dazu finden Sie in unserem Fraktionsbeschluss "Verbraucherschutz auf Finanzmärkten", den Sie unter dieser Adresse lesen können: www.gruene-bundestag.de/cms/verbraucherschutz/dok/253/253980.verbraucherschutz_auf_den_finanzmaerkten.html
Der Schutz der Spareinlagen ist ein weiteres Thema, das uns beschäftigt. Die politische Ankündigung der Bundesregierung, die Spareinlagen seien per Garantie abgesichert, haben wir zur Beruhigung der Lage grundsätzlich begrüßt. Wir haben allerdings im Plenum des Deutschen Bundestages ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine solche Aussage auch den parlamentarischen Rückhalt haben muss. Sprich, es müssen im Bundeshaushalt Vorkehrungen getroffen werden, dass im Ernstfall eine solch gigantische Summe von cirka 1.000 Milliarden Euro auch verfügbar ist. Hier sehen wir ähnlich wie bei dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz die Mitspracherechte des Parlaments, das ja schließlich für demokratische Legitimation und Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen hat, verletzt. Und auch die bestehenden, unübersichtlichen und nicht ausreichend finanzstarken Einlagensicherungssysteme müssen reformiert werden. Eine solche Reform ist bereits seit dem sogenannten Phoenix-Skandal von der Bundesregierung angekündigt worden. Bisher geschieht hier allerdings zu wenig. Mit unseren Positionen "Verbraucherschutz auf Finanzmärkten" versuchen wir, auch in diesem Punkt Druck auszuüben. Die Einlagensicherungssysteme sollen dabei verstärkt werden, da sich in der gegenwärtigen Krise gezeigt hat, dass sie zur Rückerstattung der Einlagen im Falle einer Bankenpleite nicht ausreichen. Bei der Verbesserung muss auch darauf geachtet werden, dass die Teile des Einlagensicherungssystems, die sich bisher bewährt haben, nicht beschädigt werden. Dazu gehört prinzipiell auch die Aufstellung des deutschen Bankensystems gemäß der drei Säulen Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben und dass unser Fraktionsbeschluss zum Verbraucherschutz auf Finanzmärkten Ihr Interesse findet.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Roth