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Frage von Jürgen N. •

Frage an Claudia Roth von Jürgen N. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrtes Claudia Roth-Team,

warum sind Beamte (auch im Ruhestand) zur Hälfte privat krankenversichert ?
Und warum muß für die andere Hälfte der Steuerzahler aufkommen ?
Und warum muß der Beamte (auch im Ruhestand) diese Vergünstigung nicht versteuern ?
Ist es nicht besser, wenn der Wähler bei der Wahl seinen Stimmzettel ungültig macht und diesen Abgeordnetenbeamten wenigsten so das Vertrauen entzieht.

Mit freundlichem Gruß
Jürgen Netsch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Netsch,

für die Behandlungskosten im Krankheitsfall ist bei den Beamtinnen und Beamten die steuerfinanzierte Beihilfe zuständig. Da diese die entstehenden Kosten aber nicht vollständig abdeckt, schließen die betroffenen Beamten für sich und ihre Familienangehörigen üblicherweise eine private Restkostenversicherung ab. In der Folge ist für die meisten – nicht für alle! - „Staatsdiener“ die finanzielle Absicherung der Gesundheitsversorgung weitaus günstiger und auch umfassender als für gesetzlich Krankenversicherte. Dieser rechtliche Sonderstatus gilt auch, wie Sie richtig schreiben, für Beamtinnen und Beamte im Ruhestand.

Gerechtfertigt wird dieses Privileg meistens mit der besonderen Fürsorgepflicht des Staates für seine Bediensteten. Diese soll spiegelbildlich stehen zu der besonderen Dienst- und Treuepflicht, die Beamtinnen und Beamte gegenüber ihrem Dienstherrn haben. Da diese gegenseitigen Verpflichtungen lebenslang gelten, sind auch Ruheständler in die Beamtenversorgung einbezogen.

Dieser Argumentation ist allerdings mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Dieses hat bereits im Jahr 2002 entschieden, dass das Beihilfesystem nicht durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums garantiert wird. Zwar gehöre es zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dass der Beamte nicht gefährdet wird, wenn ihm durch Krankheit besondere finanzielle Belastungen entstehen. Wie der Dienstherr dieser Pflicht nachkomme, sei jedoch seiner freien Entscheidung überlassen. Damit spricht verfassungsrechtlich nichts gegen die Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung.

Als weiteres Argument für dieses Sondersystem wird häufig genannt, dass die Kosten für die Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung zu hoch wären. Die öffentlichen Haushalte müssten dann den hälftigen Arbeitgeberbeitrag übernehmen. Der sei aber teurer als die anteilige Übernahme der Krankheitskosten, wie sie heute mit der Beihilfe geschehe. Dieses Argument halten wir für eine „Milchmädchenrechnung“. Zwar liegen heute die Aufwendungen des Staates für die jüngeren Beihilfeberechtigten unterhalb der Arbeitgeberbeiträge, die für angestellte Beschäftigte anfallen. Allerdings wachsen die Ausgaben für ältere Beamtinnen und Beamte und insbesondere für Pensionäre überproportional an. Die zusätzlichen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch einen hälftigen Arbeitgeberbeitrag würden deshalb mit dem zunehmenden Alter der versicherungspflichtigen Beamten in eine Entlastung „umkippen“. In dieser Einschätzung hat uns auch ein von der bündnisgrünen Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt. Durch eine vollständige Überführung der Beihilfe in eine Bürgerversicherung würden die öffentlichen Haushalte um über eine Milliarde Euro entlastet.

Dass sich trotz guter Gründe bisher nichts in Richtung Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung tut, hat mit Widerständen aus der Beamtenschaft und der Privaten Krankenversicherung zu tun. Für die Private Krankenversicherung sind die Beamtinnen und Beamten, die eine Restkostenversicherung abschließen, die mit Abstand größte Kundengruppe. Und die privaten Krankenversicherungsunternehmen haben insbesondere innerhalb der CDU/CSU starke Unterstützer.

Wir Grünen halten auch weiterhin an unserer Forderung fest, innerhalb des Krankenversicherungssystems alle Bürgerinnen und Bürger am Solidarausgleich zu beteiligen. In eine solche Bürgerversicherung ist auch die Beamtenschaft einzubeziehen. Davon würden übrigens kinderreiche Beamtinnen und Beamte mit niedrigen Bezügen profitieren. Viele dieser Beamtinnen und Beamten würden durch die in der gesetzlichen Krankenversicherung geltende Beitragsfreiheit für Kinder gegenüber dem Status Quo entlastet.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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