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Claudia Roth
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Frage von Michael B. •

Frage an Claudia Roth von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Roth,

die Grünen sind ja die Partei des Versammlungs- und Demonstrationsrechtes. Sie selbst sind eine begeisterte Demonstrantin.

Heute wurde in Köln eine laufende und zuvor genehmigte Veranstaltung von Pro Köln verboten, bei der diese ihre Besorgnis über eine schleichende Islamisierung Europas zum Ausdruck bringen wollte.

"Antifaschistischen" Schlägertrupps war die Veranstaltung nicht genehm, Polizisten wurden mit Steinbrocken beworfen, dabei verletzt und es wurde versucht, den Polizisten ihre Waffen abzunehmen. Daraufhin sah sich die Polizei nicht mehr in der Lage, Leib und Leben der an der Veranstaltung teilnehmenden Personen zu schützen. Die Veranstaltung wurde deswegen verboten und aufgelöst.

Nach Ihrem gewohnten Verhaltensmuster müssten Sie jetzt eine Sondersitzung des Bundestages sowie einen Untersuchungsausschuss (Herr Ströbele hilft bestimmt!) beantragen. Schließlich wurde hier eindeutig ein Grundrecht verletzt.

Frage: Denken Sie daran, in dieser Richtung aktiv zu werden? Meinungsfreiheit auch für die einzufordern, die Ihren eigenen Ansichten nicht entsprechen? Diese Größe - Entschuldigung - haben Sie wahrscheinlich eher nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Bilharz

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bilharz,

um auf Ihr gewohntes Verhaltensmuster zurückzukommen, möchten wir festhalten, dass keine Sondersitzungen und Untersuchungsausschüsse im Bundestag beantragt werden, wenn polizeiliche Verbote ein Grundrecht beschneiden. Dafür gibt es den bekannten und bewährten Rechtsweg, gegen solche Entscheidungen vorzugehen. Sollten Sie den Rechtsbeistand von „Pro Köln“ übernommen haben, können Sie den Bundestag in Gestalt des Petitionsausschusses erst einschalten, wenn die Rechtsmittel ausgeschöpft worden und Sie mit den finalen Entscheidung der letzten Instanzen nicht einverstanden sind.

Zum Verbot der Demo in Köln hat Frau Roth eine andere inhaltlich ähnliche Frage folgendermaßen beantwortet:

„das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit ist ein demokratisches Grundrecht. Der Staat und alle Demokratinnen und Demokraten müssen dahinter stehen, wenn es auch gegen ihre politischen Überzeugungen geht. Selbstverständlich sollten nur Gerichte entscheiden, ob eine Demonstration rechtmäßig ist oder nicht. Genauso selbstverständlich ist das Recht der anderen, sich Veranstaltungen und Bestrebungen entgegenzustellen, die Diskriminierungen an bestimmten Bevölkerungsgruppen das Wort reden, oder die Einschränkung von anderen demokratischen Rechten fordern. Die Kölner haben eindrucksvoll ihren Protest gegen die Konferenz zum Ausdruck. Offensichtlich waren einige Teilnehmer angesichts der sich abzeichnenden Proteste überhaupt nicht erschienen. Dies sorgte mit dafür, dass schließlich eine kleine Gruppe von Konferenzteilnehmern tausenden Gegendemonstranten gegenüber stand.
Eine demokratische Gesellschaft sollte diese Auseinandersetzungen aushalten können. Es kommt leider auch vor, dass sich die Polizei mancherorts, wie auch in diesem Falle in Köln passiert, überfordert fühlt und Entscheidungen trifft, die rechtlich auf einem wackeligen Boden stehen. Ich bin nicht der Meinung, dass die Polizei es sich mit dem Verbot leicht machen wollte. Aber eine konzeptionell gut vorbereitet Polizei hätte die Einhaltung des demokratischen Rechts auf Versammlungsfreiheit den beiden Seiten gewähren können. Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei in brenzligen Situationen den einfacheren Weg des Verbots geht. Das bräuchte sie eigentlich nicht, wenn die Polizeiführung sich ernsthaft und rechtzeitig um ein demokratiebewegtes Krisenmanagement bemühen würde. Die trotz des großen Medienrummels klein geratene Anti-Islam-Konferenz hat scheinbar die Versuchung der Polizei, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und die Demonstration zu verbieten, gesteigert. Situationsbedingte Verbote auszusprechen, sieht das Polizeirecht unter strengen Auflagen vor. Auch das ist eine verfassungsrechtliche Realität, die im Konfliktfall wiederum auf dem Rechtsweg zu klären ist.

Das von „Pro Köln“ organisierte Anti-Islam-Treffen rechtsextremer Gruppen in Köln hatte ich als Versuch bezeichnet, Rechtsextreme aus ganz Europa in Köln zu versammeln, um Menschen islamischen Glaubens zu diffamieren, zu kriminalisieren und auszugrenzen. An dieser Bewertung ändert auch das polizeiliche Verbot nichts.“

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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