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Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Doris S. •

Frage an Claudia Roth von Doris S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Roth,
mit großer Sorge mußte ich feststellen, daß im landkreis Kitzingen ein sogenannter Großversuch mit Genmais stattfindet. Bei Recherchen erfuhr ich, daß auch die Schweine bei uns im Dorf mit Gensoja gefüttert werden und somit die Frage nach gentechnikfreien Lebensmitteln brisant ist. Ist GMO wirklich effizienter als tradionelle Ernten? Ist es auch langfristig effizienter? Was wird auf Dauer aus dem Boden, den Insekten, den Vögeln und den Nachbarfeldern? Wie wird künftig unsere Raumplanung und Ernährung aussehen? Unter www. keine-gentechnik. de finden sich Informationen? In welchen Ländern ist Mon 810 tatsächlich verboten? Wann wird Bayern/Deutschland nachziehen?
nachdenklich Doris Scheuermann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Scheuermann,

Ihre Kritik an Gentech-Produkten teile ich ausdrücklich. Unser Ziel ist es, die gentechnikfreie Produktion in Deutschland und wenn möglich überall zu schützen - zum Beispiel indem wir uns gegen den Anbau umstrittener gentechnisch veränderter Pflanzen wie den Gentech-Mais MON810 wehren. Wir wehren uns dagegen, dass Schutzregelungen im Gentechnikrecht ausgehöhlt werden, wie das durch die vom noch amtierenden Landwirtschaftsminister Horst Seehofer im neuen Gentechnik-Gesetz ermöglichten Privatabsprachen geschieht. Wir setzen uns dafür ein, dass Saatgut gekennzeichnet werden muss, sobald sich eine gentechnische Verunreinigung nachweisen lässt. Wir setzen uns dafür ein, dass die Belange der Imker bei einem Anbau von Gentech-Pflanzen berücksichtigt werden. Dafür brauchen wir Mitteilungspflichten der Gentech-anbauenden Landwirte gegenüber Imkern, und Imker müssen von Haftungsansprüchen bei Verunreinigungen ausgeschlossen werden. Wir kämpfen gegen die Zulassung der Amflora-Kartoffel der BASF, die für Industriezwecke angebaut werden soll und auch gegen EU-rechtliche Sonderregeln für Verunreinigungen mit nicht-zugelassenen Gentech-Pflanzen. Hier gilt für uns: Nulltoleranz. Wir setzen uns für eine Verbesserung des EU-Zulassungs- und Kontrollverfahrens für gentechnisch veränderte Pflanzen ein. Verbesserung heißt für uns nicht - wie für Landwirtschaftsminister Horst Seehofer - Beschleunigung, sondern dass die wissenschaftlichen Bedenken nationaler Behörden der EU-Länder stärker berücksichtigt werden. Außerdem müssen Interessenverflechtungen zwischen den Prüfbehörden und der Agro-Gentechnik-Industrie offen gelegt und beseitigt werden.

Wir begrüßen die Kennzeichnung "ohne Gentechnik", weil Verbraucher damit honorieren können, wenn Landwirte kein gentechnisch verändertes Futtermittel einsetzen. "Ohne Gentechnik" bedeutet: Produkte mit diesem Label dürfen keine gentechnisch veränderten Organismen enthalten, auch nicht bis zu einem bestimmten Schwellenwert. Dies ist gesetzlich sichergestellt. Wir setzen uns für die Schließung der Gentechnik-Kennzeichnungslücke für tierische Produkte auf EU-Ebene ein. Es ist Verbrauchertäuschung, wenn tierische Produkte wie Milch, die von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert werden, nicht mit einem Gentech-Label versehen werden müssen.

MON810-Mais ist derzeit die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in Deutschland zu kommerziellen Zwecken angebaut werden darf. 2008 ist die dritte Saison für den kommerziellen Anbau für den gentechnisch veränderten Mais MON810 in Deutschland. Die Sorten für den kommerziellen Anbau von MON810 wurden von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer erstmalig im Dezember 2005 zugelassen. Die gentechnikrechtliche Zulassung erteilte die EU-Kommission dem Gentech-Mais MON810 bereits 1998, also vor inzwischen fast über zehn Jahren. Seinerzeit hieß der Minister, der in Brüssel für Deutschland "Ja" zur EU-Anbaugenehmigung für MON810 sagte, Gesundheitsminister Horst Seehofer.
Renate Künast konnte in ihrer Amtszeit schließlich die Sortenzulassung aus MON810 in Deutschland wegen EU-rechtlicher Bedenken stoppen. Schon damals waren fundamentale Zulassungslücken bekannt, auch schon vorher dem Hause Seehofer. Trotzdem machte Horst Seehofer in seiner neuen Funktion als Landwirtschaftsminister 2005 den Weg frei für die Sortenzulassungen aus MON810.

Bündnis90/Die Grünen fordern Landwirtschaftsminister Seehofer auf, ein nationales Einfuhrverbot für MON810 anzuordnen und den Saatgutverkauf und die Ausbringung von MON810-Mais in Deutschland zu stoppen (siehe Antrag Bündnis90/Die Grünen, Bt-Drs. 16/7835; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/078/1607835.pdf ). Die SPD fordert zwar in der Presse ein Anbauverbot von MON810 (u.a. Fraktionsvize Kelber), kneift jedoch, wenn es hier im Bundestag um die konkrete Umsetzung des Verbots geht. Die Union hat bisher keinerlei Anstalten unternommen, auf Bundesebene den Anbau von MON810 zu unterbinden, obwohl sich die CSU im bayerischen Landtagswahlkampf gegen Gentechnik in Bayern ausgesprochen hat.

Zu Ihrer Information hier eine Auswahl der parlamentarischen Initiativen (Anfragen/Anträgen) der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen zur Agro-Gentechnik:
- Kleine Anfrage: "Zulassungsverfahren zur gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora der Firma BASF"; Drs. 16/8555 März 2008;
- Antrag: "Einfuhrverbot für den gentechnisch veränderten Mais MON810 anordnen und den Verkauf von MON810-Saatgut stoppen"; Drs. 16/7835; Januar 2008; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/078/1607835.pdf
- Antrag: "Kennzeichnung gentechnikfreier Fütterung bei tierisches Produkten ermöglichen"; Drs. 16/6944; November 2007; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/069/1606944.pdf
- Antrag "Schutz von Mensch und Umwelt im Gentechnikrecht bewahren"; Drs. 16/6942; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/069/1606943.pdf, November 2007
- Kleine Anfrage: "Entwicklung von gentechnisch veränderten Pflanzen mit öffentlichen Geldern"; Drs. 16/6015 (Frage) und 16/6208 (Antwort Regierung); August 2007;
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/062/1606208.pdf
- Antrag "Keine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben"; Drs. 16/4904; http://dip.bundestag.de/btd/16/049/1604904.pdf , März 2007.
- Antrag "Einfuhrverbot für Produkte aus dem gentechnisch veränderten Mais MON863 anordnen"; Drs. 16/4905; http://dip.bundestag.de/btd/16/049/1604905.pdf ; März 2007.
- Antrag "Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten gewährleisten"; Drs. 16/4556; http://dip.bundestag.de/btd/16/045/1604556.pdf ; März 2007.
- Kleine Anfrage "Verunreinigte Lebensmittelprodukte mit gentechnisch verändertem Reis"; Drs. 16/2731 (Frage) und 16/3118 (Antwort Regierung); http://dip.bundestag.de/btd/16/031/1603118.pdf ; September/Oktober 2006.
- Antrag "Moratorium für Gentechnik in der Landwirtschaft", Drs. 16/1909; http://www.dip1.btg/btd/16/019/1601909.pdf ; Juni 2006.
- Antrag "Bei gentechnisch veränderten Pflanzen nationales Recht auf Einfuhrverbote und Schutzmaßnahmen nutzen"; Drs. 16/1176; http://dip.bundestag.de/btd/16/011/1601176.pdf , Mai 2006.
- Kleine Anfrage "Prüfung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland", http://dip.bundestag.de/btd/16/011/1601175.pdf , Bundestags-Drs. 16/1019 und 16/ 1175, März/April 2006
- Kleine Anfrage "Transparenz und Sicherheit bei den Verfahren der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen" (http://dip.bundestag.de/btd/16/006/1600655.pdf , Bundestags-Drs. 16/502 und 16/655, Januar/Februar 2006)

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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