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Claudia Roth
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Frage von Wolf Michael K. •

Frage an Claudia Roth von Wolf Michael K. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Roth,

ich muss mich bei Ihnen entschuldigen: Nach Ihrer Titulierung des Herrn Mixa als durchgeknallten Oberfundi hat sich in mir von Ihnen das Bild einer christlichen Positionen und Werten ablehnend gegenüberstehenden Person eingegraben. Nachdem ich mir nunmehr die Mühe gemacht habe, die Umstände Ihres Zitates zu recherchieren, stelle ich fest, dass Sie für die echte Wahlfreiheit der Familien einstehen, ob sie ihre Kinder lieber zuhause erziehen wollen oder sie in eine Krippe abgeben (Süddeutsche.de, 20.10.2007). Damit wir uns nicht missverstehen: Ich schätze Ihre Wortwahl gegenüber Herrn Mixa nicht, bin aber sehr erfreut über Ihre Äußerung zum Thema Wahlfreiheit bei der Art der Kindererziehung, und würde mich nunmehr dafür interessieren, was Sie darunter konkret verstehen.

Mit freundlichen Grüßen aus Würzburg,
Wolf Michael Kröger

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kröger,

um den Begriff Wahlfreiheit in diesem Zusammenhang zu erläutern, möchten wir im Auftrag von Frau Roth auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückgreifen. Das Gericht hat den Auftrag des Grundgesetzes in seinem "Kinderbetreuungsurteil" vom 19. Januar 1999 umrissen. In einer zentralen Passage der Entscheidung heißt es wörtlich: "ergibt ... sich die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. ...Die Kinderbetreuung ist eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt ... Der Staat hat dementsprechend dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden".

Die Verfassungsrichter erteilen damit dem Staat den Auftrag, für Eltern die Wahlfreiheit bei der Art der Kinderbetreuung in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu schaffen. Ausschlaggegend sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Wahlfreiheit. Wenn Eltern sich dazu entschließen, ihre Kinder halb- oder ganztags fremdbetreuen zu lassen, dann muss unsere Gesellschaft dafür sorgen, dass die notwendige Infrastruktur bereitgestellt wird - also Kindergärten, Kindertagesstätten, verlässliche Halbtags- oder Ganztagesschulen. Solange das nicht der Fall ist, können wir von der Gewährleistung der Wahlfreiheit nicht reden.

Die andere Seite der Medaille ist, dass der Missstand anhält, den wir alltäglich erleben: So wird die Entscheidung der Eltern diskriminiert, wenn sie wegen der Kindererziehung zeitweilig aus der Berufswelt aussteigen. Die Berufswelt und die Wirtschaft gehen immer noch davon aus, dass Zeit für die persönliche Betreuung und Erziehung der eigenen Kinder den kompletten oder befristeten Ausstieg aus dem Berufsleben und somit automatisch den Verzicht auf Erwerbseinkommen bedeutet. Die Politik muss deshalb Rahmenbedingungen schaffen, die Eltern in die Lage versetzen, sich ohne Angst vor einem Verlust von beruflicher Zukunft, von Karrierechancen oder von Einkommen für Kinder entscheiden zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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