Frage an Claudia Roth von Wolfgang W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Frau Roth,
zum einen bin ich erschüttert, daß die Anfrage bezüglich der Bedrohung von Frau Ulfkotte von Ihrem Büro in der Form "das haben wir nicht mitbekommen - es gibt soviel anderes wichtiges" abgetan wurde. Es scheint beinahe so, als daß man als Integrationskritischer Mensch nicht ein Recht auf Unversehrtheit besitzt.
Nun aber zu meinem eigentlichen Anliegen. Sie sind ja als eine leuchtende Anhängerin der gelebten und funktionierenden Integration bekannt. Sie bringen sich zu dem Thema voll und ganz ein. Man merkt, daß es Ihnen dabei um Ihre große Leidenschaft geht. Wenn Sie in einem Medium zu dem Thema Integration zu sehen sind, hat man den Eindruck, daß die aktuelle Einwanderungspolitik - wie Sie es nennen - notwendig ist und mit entsprechendem Integrationswillen beider Seiten zu schaffen sei.
Bei mir verstärkt sich jedoch seit geraumer Zeit der Eindruck, daß Sie - nicht aus böser Ansicht, vielleicht sind Sie einfach zu sehr persönlich involviert - die aktuelle Gesellschaftliche Entwicklung etwas einseitig wahrnehmen.
Ich sehe eine große Gefahr durch bereits vollzogene und die aktuell betriebene Ausländerpolitik. Ich habe den Eindruck, daß die Realität eine ganz andere Sprache als die von Ihnen gewünschte Entwicklung spricht.
Ganz konkret spiegelt die unheilsame Entwicklung, daß sich in Deutschland rechtsfreie Räumen entwickeln, gegen Deutsche Inländerfeindlichkeit und Agressivität herrscht und es inzwischen oft zu Zusammenrottungen gegen die Polizei kommt. Dies ist im folgenden GdP-Beitrag ab Seite 10 beschrieben: http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp200805/$file/DeuPol0805.pdf
Ich befürchte, daß wir uns auf eine Gesellschaftliche Katastrophe zubewegen, und derzeit immer noch versucht wird alles schönzureden.
Meine Frage an Sie: Wie sehen Sie diese im GdP-Beitrag konkret angesprochene Entwicklung und worin sehen Sie die Mittel, rechtsfreie Räume, Banden, Polizeibedrohungen und Inländerfeindlichkeit entgegenwirkt?
Sehr geehrter Herr Weinheimer,
die Kritik der Gewerkschaft der Polizei an der personellen und technischen Ausstattung der Polizei durch die Landesregierungen ist meistens begründet und unterstützungswürdig. In den Debatten über innere Sicherheit, über Gewährleistung von Recht und Gesetz und über Kriminalitätsbekämpfung vertreten wir den Standpunkt, dass an der Ausstattung der Polizei nicht gespart werden darf, dass eine effektive Präsenz der Polizei vor Ort ihre personelle Aufstockung und Öffnung für mehr interkulturelle Kompetenz voraussetzt. Diese sind wichtige Voraussetzung für mehr objektive und gefühlte Sicherheit im Alltag und für die Durchsetzung von Recht und Gesetz.
Der Beitrag in der GdP-Zeitschrift thematisiert diese Forderungen der GdP mit Fokussierung auf Duisburg durch die Brillen des Autors. Liest man aber den Beitrag genau, stellt sich das nicht als ein Problem der Integration oder Ausländer dar. Denn im Beitrag wird festgehalten: „…Rasch wird klar, dass die steigende Gewalt und Aggressivität gegen Bürger und Polizisten kein Phänomen einiger Stadtviertel in Ballungsräumen ist. Gewalt und Aggressivität sind auch kein Privileg ausländischer Gruppen oder Jugendlicher und Heranwachsender mit Migrationshintergrund. Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet berichten von solchen Entwicklungen, sogar auf dem platten Land. Immer häufiger haben sie bei Einsätzen die Schusswaffe in der Hand….“ In der Süddeutschen Zeitung vom 13.08.2008 ist von der Warnung der GdP in Bayern vor "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" auf Volksfesten zu lesen. Die örtlichen Polizeidienststellen seien mit der Gewalteskalation auf den Veranstaltungen immer öfter überfordert, vor allem Landfriedensbruch und brutale Körperverletzungen zumeist betrunkener Festbesucher machten selbst auf kleineren Festen Großeinsätze der Polizei notwendig.
Besonderes große Probleme mit den so genannten rechtsfreien Räumen bestehen vor allem in den Regionen, in denen die Neonazis und Neonazi-Kameradschaften „Ausländerfreie Zonen“ aufgerufen haben. Auch hier ist eine rechtsstaatlich sattelfeste Polizei mit flächendeckender Präsenz notwendig.
Richtig ist, dass die Polizei mit den Folgen der Bildungsmisere und des Versagens der Sozialpolitik nicht allein gelassen werden darf. Aber die Kritik der GdP an der Justiz und am Umgang mit Tätern ist eher auf eine isolierte Betrachtungsweise aus ihrer eigenen Warte aus zurückzuführen.
Die GdP und ihre Forderungen zum Anlass zu nehmen, um einen grundlegenden Konflikt zwischen In- und Ausländern in Deutschland herbeizureden, basiert auf einer selektiven Wahrnehmung von Bürger- und Menschenrechten, die im Text Ihrer Frage zum Ausdruck kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth