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Frage von Ernst K. •

Frage an Claudia Roth von Ernst K. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Roth!

WELT online berichtete am gestrigen Tage http://www.welt.de/politik/article2042899/Religionsamt_warnt_Frauen_vor_Parfuem_und_Deo.html über einen Leitfaden der türkische Religionsbehörde Diyanet, in dem Verhaltensregeln für türkische Frauen zusammengefasst sind. Diesem Benimm-Leitfaden zufolge sollen Frauen z.B. außerhalb des Hauses "...kein Parfüm, Deo oder andere wohlriechende Mittel benutzen, weil der Prophet Mohammed solches Verhalten als "unmoralisch" bezeichnet habe."
Desweiteren finden sich Regeln, die die Keuschheit der Frauen sicherstellen sollen. Den türkischen Benimm-Regeln zum Schutz der Keuschheit zufolge beginnt z.B. Ehebruch nicht, wie nach allgemeinem Verständnis in unserer Gesllschaft, mit sexuellem Verkehr mit jemand anderem als dem Ehepartner, sondern kann bereits durch ein "unziemliches Wort" begangen werden. Weiterhin sollen Frauen sich nicht alleine mit einem fremden Mann in einem Raum aufhalten oder alleine reisen; denn all das könne zu Versuchungen und Geschwätz der Nachbarn führen.
Verhält sich eine Frau nicht entsprechend, wird ihre Keuschheit befleckt, die untrennbar mit ihrer Ehre verknüpft ist. Und: "es gibt kein Mittel gegen befleckte Ehre". Diese "befleckte Ehre" dient in den meisten Fällen, soweit ich das bisher den jeweiligen Presseberichten entnehmen konnte, bei Ehrenmorden den muslimischen Tätern als Rechtfertigungsgrund.

Wie stehen Sie dazu, dass die türkische Regierung Positionen vertritt, die als Rechtfertigungsgrund für kapitale Straftaten in Deutschland und anderen europäischen Staaten dienen?

Wie stehen Sie zu dem hier, von Seiten der türkischen Regierung, offiziell vertretenen rückständigen Frauenbild? (zu Unmoral neigend, unfrei in der Gestaltung ihres eigenen Lebens...)

Ist Ihrer Ansicht nach ein EU-Beitritt der Türkei denkbar, ohne dass sich eine türkische Regierung von solch islamischen Positionen glaubhaft distanziert?

Freundliche Grüße

E. Kalthoff

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Sehr geehrter Herr Kalthoff,

ausschlaggebend für die EU-Beitrittverhandlungen sind Gesetze des Landes, die das Parlament passieren und nicht der Leitfaden einer Religionsbehörde, die im besten Falle nur für ihre Anhänger bindend sein kann. Der Leitfaden der Religionsbehörde ist kein Gesetz und nicht für alle Menschen in der Türkei bindend. Die in ihm vorgesehenen Empfehlungen werden genauso an Lebensrealitäten scheitern wie das vom Vatikan immer noch aufrechterhaltene Scheidungsverbot in der Ehe. Mit der einschränkenden Wirkung derartiger Bestimmungen haben sich alle auseinanderzusetzen, die ihrem Handeln ein den Werten der Aufklärung entsprechendes Bürger- und Menschenrechtsverständnis zu Grunde legen.

Zum Verhältnis Religion-Staat in der Türkei haben wir eine klare Position: Die Türkei braucht eine vollständige und umfassende Religionsfreiheit, wie sie die Kopenhagener Kriterien vorschreiben. Dennoch ist die heutige Türkei ein viel offeneres und toleranteres Land als vor Jahren, obwohl eine religiös verwurzelte politische Partei, die AKP, an der Macht ist. Diese Partei hat die Frauenrechte in der türkischen Verfassung vor wenigen Jahren in enger Zusammenarbeit mit wichtigsten Frauenorganisationen modernisiert und verbessert.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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