Frage an Claudia Roth von Ali A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Roth!
Ich bin etwas erstaunt, dass Sie die Stimmenthaltung von Berlin im Bundesrat, zum Lissabon-Vertrag, derart kritisieren. Ich habe das auf www.gruene.de also der HP Ihrer Partei gelesen.
Es ist doch das demokratischste der Welt, dass demokratische Parteien zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Sollte Die Linke gegen ihre Überzeugung gezwungen werden dafür zu stimmen?
Respektieren Sie nicht, dass die WählerInnen und Wähler von Frankreich und den Niederlanden vor ein paar Jahren den zuvorgehenden Vertrag gestoppt haben? Der neue beinhaltet zu 90% nichts neues. Ist Ihnen das nicht bewußt oder nehmen Sie das in Kauf?
Auch Mehr Demokratie e.V. kritsisiert den Vertrag. Herr Häfner von Mehr Demokratie ist sogar Gründungsmitglied der Grünen. Ist er wegen seiner Ablehnung nun auch gleich ein Populist?
Schauen Sie mal bitte auf www.mehr-demokratie.de
Warum setzen Sie sich nicht für eine Volksabstimmung zu solchen Entscheidungen ein? Schließlich hatten Sie die Forderung nach mehr Demokratie früher stets unterstützt.
Sehen Sie nicht die soziale Schieflage die geblieben ist und die der neue Vertrag nicht ausschließt?
Auch mehrere Umweltschutzverbände haben den Vertrag m.W. mehrfach kritisiert. Weil der Umweltschutzgedanke nicht ausreichend beachtet wird.
Selbst Herr Trittin meinte, er habe nur mit Bauchschmerzen zugestimmt. Ist er auch gleich ein Populist? Man kann das Wort Populist bald nicht mehr hören...
Mit freundlichen Grüßen
Ali Avci
Sehr geehrter Herr Avci,
es ist das demokratische Recht der Parteien, die Positionen der anderen zu kritisieren, insbesondere dann, wenn Widersprüche darin offensichtlich werden. Die Kritik an der Berliner Landesregierung sollte die Widersprüche in der EU-Politik der Linken unterstreichen. Offensichtlich ist uns dies gelungen.
Den EU-Vertrag kann man sicherlich für unzureichend halten. Ihn aber aus einer nationalistischen Position heraus abzulehnen, ist uns Anlass genug, das gestörte Verhältnis der Linken zur EU als dem größten Friedensprojekt der Welt offenzulegen.
Wir unterstützen viele Forderungen des „Mehr Demokratie e.V.“ und haben auch große Überschneidungen im Bereich der Direkten-Demokratie-Politik. Ein totalitäres Verständnis von politischer Nähe ist uns aber fern. Trotz der Meinungsverschiedenheiten haben wir jedoch viele gemeinsame Ziele, die auf ihre Umsetzung warten.
Die Entscheidungen in Frankreich oder den Niederlanden sind zu akzeptieren und wurde auch anerkannt. Sie waren einer der Gründe der überlangen Reformphase und der Verschlankung des EU-Vertrags. In Ihrer Darstellung lassen Sie die Motive der damaligen Gegner vollends weg. Diesen ging es ja auch gar nicht um Elemente der direkten Demokratie, sondern um knallharte Innenpolitik in den beiden genannten Ländern.
Die Unzulänglichkeiten des EU-Vertrags sind uns klar. Trotzdem stellt er einen Fortschritt dar, den wir weiter gehen wollen. Der Vertrag von Lissabon hebelt weder die Charta der Vereinten Nationen noch das Grundgesetz aus. Nur auf der Grundlage einer weitergehenden Integration kann eine umweltfreundliche und friedenspolitische EU entstehen. Mit Blockaden und einer nationalstaatlichen Verweigerungshaltung ist eine gemeinsame und grenzüberschreitende Politik innerhalb der EU nicht möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth