Portrait von Claudia Roth
Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen
0 %
/ 65 Fragen beantwortet
Frage von Heike R. •

Frage an Claudia Roth von Heike R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Roth,
ich fand Sie in der TV Chartsendung bei Oliver Geissen sehr sympathisch und volksnah. Prima!
Meine Frage an Sie ist, weshalb tun wir uns so unendlich schwer die NPD und andere rechte Gruppierungen zu verbieten?
Politiker zerreden das Problem, während die Rechten das verbesserte internationale Ansehen Deutschlands in den Schmutz ziehen.
Ist bei diesem Thema keine parteiübergreifende Grundgesetzänderung möglich, die die Rechten verbietet?

Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall

Portrait von Claudia Roth
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Rogall,

haben Sie vielen Dank für das Kompliment!

In der Tat schaden die rechtsextremistischen Organisationen dem internationalen Ansehen Deutschlands. Viel wichtiger ist aber, dass sie unserer Demokratie schaden und massive Menschenrechtsverletzungen hierzulande zu verantworten haben. Selbstverständlich kann die NPD auf der Grundlage unserer Verfassung verboten werden. Denn die NPD ist eine verfassungsfeindliche und antidemokratische Partei, die wir vor allem politisch bekämpfen. Juristisch ließe sich diese Partei verbieten, wenn dabei entscheidende rechtsstaatliche Kriterien eingehalten würden. Das Gleiche trifft auch bei anderen verfassungsfeindlichen Organisationen zu. Beim von Schily und Beckstein 2003 initiierten Versuch, die NPD zu verbieten, scheiterte der Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht, weil wichtige Belastungszeugen Spitzel des Verfassungsschutzes waren.

Durch die völlig unprofessionelle Vorbereitung des Verbotsverfahrens haben Beckstein und Schily der NPD einen medialen Erfolg ermöglicht. Dennoch ist es immer noch nicht erkennbar, dass die Anhänger eines Verbots daran gearbeitet hätten, ein erneutes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht juristisch abzusichern, so dass eine Neuauflage des Verfahrens immer noch wenig Erfolgsaussichten verspricht. Ein zweites Mal aber kann sich unser Rechtsstaat keine derartige Niederlage in der Auseinandersetzung mit der NPD leisten.

Abgesehen davon kann ein Verbot der NPD die fremdenfeindlichen Haltungen in Deutschland nicht ändern. Der Hass auf Menschen mit anderer Hautfarbe oder Herkunft besteht unabhängig davon, ob die NPD als Partei zugelassen ist. Gesetze und eine besser ausgestattete Polizei sind unverzichtbare Bestandteile staatlichen Widerstands gegen Neonazis. Sie machen aber nur Sinn als Begleitmaßnahme zu langfristigen gesellschaftlichen Veränderungen. An erster Stelle muss die Prävention stehen. Die Vorbildwirkung von Politik und Medien ist von großer Bedeutung. Wir brauchen eine starke demokratische politische Kultur. Ganz wichtig sind auch zivilgesellschaftliche Institutionen, besonders Bildungseinrichtungen. Sie müssen zu Demokratie, Toleranz und Sensibilität gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erziehen. Und das so früh wie möglich. Ohne finanzielle Mittel können sich solche Strukturen aber nicht bilden und erhalten. Deshalb fordern wir die große Koalition auf, mehr Geld für Demokratie stärkende Initiativen bereitzustellen und weniger über medienwirksame Scheinlösungen zu debattieren.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Claudia Roth
Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen