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Frage von Norbert K. •

Frage an Claudia Roth von Norbert K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Roth,

auf Ihrer Webseite fand ich Ihren Kommentar zum BKA-Gesetz.
Zitat: "Nun darf das BKA im Terrorismusbereich auch präventiv tätig werden............."

Nun meine Fragen an Sie: Wenn - Ihrer Meinung nach - nicht präventiv gehandelt werden dürfe, wie denn dann? Erst explodieren die Selbsmordattentäter, dann hechelt die Polizei hinterher - ist es das, was Sie wollen?
Sind Sie nicht auch - wie alle Bürger, die sehen können - der Ansicht, daß die Zielrichtung ausschließlich der Islamterror ist (einen anderen Terror werden Sie weit und breit nicht finden) und das man als ersten! Schritt daran gehen sollte, die von offiziellen Stellen angegebenen ca. 30.000 gewaltbereiten Moslems zügig außer Landes zu schaffen, anstatt sie aufwendig rund um die Uhr für teuer Steuergeld überbewachen zu lassen?

MfG

Knuthsen

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Sehr geehrter Herr Knuthsen,

selbstverständlich wurde bereits in der Vergangenheit präventiv ermittelt. Diese Kompetenz lag allerdings bei den Landeskriminalämtern. Dem Bundeskriminalamt kam dabei lediglich eine koordinierende Funktion zu, denn in Deutschland war Polizei bislang vor allem Ländersache.

Mit dem nun vorliegenden Gesetz soll das BKA "zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus" aktiv werden, wenn "eine länderübergreifende Gefahr" vorliegt. Da das bei Terrorismus fast immer der Fall ist, wird Terrorbekämpfung Bundessache. Gegen eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern ist nichts einzuwenden. Dafür hat unsere Fraktion viele Vorschläge unterbereitet. Doch mit dem vorliegenden Gesetz soll die Sicherheitsstruktur in unserem Land so verändert werden, dass sie einem deutschen FBI gefährlich nah kommt. Das lehnen wir aus guten Gründen ab.

Damit das BKA eingreifen kann, reicht es nun aus, wenn gewisse "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass eine Gefahr besteht. Dann wird nachgeforscht und beobachtet, um konkretere Erkenntnisse zu gewinnen. Dieser Bereich war früher eine Domäne der Länderpolizeien. Hier gilt auch nicht die Unschuldsvermutung, vielmehr kann uferlos ermittelt werden.

Das BKA wird nach dem neuen BKA-Gesetz also doppelt federführend. Einmal gegenüber den Länderpolizeien, die im Terrorismusbereich jetzt nur noch dem BKA Amtshilfe leisten und keine eigenen Präventiv-Kompetenzen mehr haben. Zum anderen gegenüber der Generalbundesanwältin. Die muss vor Aktivitäten des BKA nicht mehr gefragt, noch auch nur informiert werden. Der Gesetzentwurf soll auch die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Sicherheitsbehörden neu regeln, indem er die bisherige strikte Trennung zwischen Polizei, Verfassungsschutz und Geheimdienst aufweicht. Im neuen BKA-Gesetz ist vorgesehen, dass die Behörden ihre Erkenntnisse in bestimmten Fällen austauschen. Dadurch und zusätzlich durch die geplante Zentralisierung steigt die Gefahr von Missbrauch, ohne effektive Instrumente für dessen Bekämpfung und Verhinderung im Gesetz vorzusehen.

Schäuble will aber nicht nur das in der Bundesrepublik etablierte Trennungsgebot aushebeln, er schafft eine Polizei, die ihr eigener Geheimdienst ist. Das ist der zweite große Bruch mit unserer Sicherheitsarchitektur.

Warum die Maßnahmen notwendig sind, erschließt sich nicht. Natürlich müssen die Sicherheitsbehörden neuen Bedrohungen und neuen Formen der Kriminalität wie dem Terrorismus des 21. Jahrhunderts begegnen können. Aber Schäubles Pläne leisten das nicht, denn sie basieren nicht auf der Analyse von Fakten, sondern auf der verbohrten Vision eines zentralisierten Präventivstaates.

Wir stellen uns dem Aufbau des Präventivstaates, dem Umbau der Sicherheitsarchitektur und dem Abbau von Bürgerrechten entschieden entgegen, wir wollen kein Super-FBI, das nicht der Kontrolle der Generalbundesanwältin unterliegt und diese noch nicht einmal über Aktivitäten zur Gefahrenabwehr informieren muss. Wir Grüne setzen weiterhin auf die rechtsstaatlich gebotene und bewährte Trennung von Geheimdiensten und Polizei und auf klare Strukturen, Kontrollinstanzen und ausreichend Personal in den Landespolizeien. Die Bundesrepublik hat mit den föderalen Strukturen die terroristischen Herausforderungen nach dem 11.9. erfolgreich bewältigt. Geholfen haben dabei Neuerungen wie das Anti-Terrorzentrum in Berlin, das eine effektive Koordinierungsstelle aller an der inneren Sicherheit beteiligten Akteure geworden ist.

Bei Ihren Ausführungen sind Sie zum großen Teil dem Gedankengut von multikriminellen rechtsextremistischen Parteien aufgesessen, die gebetsmühlenartig die Ausweisung von den so genannten Gewaltbereiten fordern, ohne den rechtlichen Status dieser Personen zu kennen. Bei diesen Zahlen wird meistens von Einschätzungen geredet bzw. davon ausgegangen, ohne gesicherte Kenntnisse. Erstens ist Gewaltbereitschaft an sich noch kein Terrorismus – ansonsten müssten wir angesichts der gewaltbereiten und gewalttätigen Neonazi-Szene vom bundesweiten bzw. regionalen Terrorismus reden. Zweitens ist die Gewaltbereitschaft nichts Angeborenes und Konstantes. Sie kann je nach politisch-gesellschaftlicher Lage neuen Nährboden bekommen, eine neue Generation hervorbringen und sich reproduzieren. Drittens halten wir es für sehr unwahrscheinlich, dass die von Ihnen angegebenen „30 000 gewaltbereiten Moslems“ rund um die Uhr überwacht werden oder werden können. Das sind Inhalte der Ablenkungsmanöver von populistischen PolitikerInnen, um andere Probleme vergessen machen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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