Frage an Claudia Roth von Mary S. bezüglich Innere Sicherheit
zu Ihrer Antwort betr. Afghanistankrieg vom 2.3.08 an Herrn Lürken:
Sie teilten mit, daß die Grünen-Fraktion noch immer für die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes ist.
Wann wird es erneute Überlegungen bzw. eine Überprüfung geben?
Nach mehr als 6 Jahren Krieg in Afghanistan verschlechtert sich die Sicherheitslage immer mehr. Muß man nicht endlich zugeben, daß die Bemühungen um die Schaffung eines sich selbst tragenden Staates aussichtslos sind?
Glauben Sie immer noch, daß die Taliban mit militärischen Mitteln zu besiegen sind? Ein militärischer Sieg würde voraussetzen, daß die NATO auch in das pakistanische Grenzgebiet(Rückzugsgebiet der Taliban) einmarschieren müßte. Stimmen wir darin überein, daß dies aus mehreren Gründen nicht möglich ist?
Es gibt nicht nur in Afghanistan Terroristen. Warum die Konzenntration auf dieses Land? Ist tatsächlich die Nähe von Ölstaaten ein wichtiger Grund?
Oft werden die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere an Frauen, als Grund für den Krieg genannt. Trifft es zu, daß es den Frauen in Darfur noch wesentlich schlechter geht? Warum ist dort der Einsatz für die Menschenrechte vergleichsweise sehr gering?
Terrorismus wird durch Krieg gefördert und nicht bekämpft. Die kritiklose Übernahme der Denkweise des Präsidenten Bush
hat dazu geführt, daß die Bekämpfung des Terrorismus mit politischen Mitteln völlig unterblieben ist.
Gibt es diese Erkenntnis tatsächlich nur in der Linksfraktion?
Sehr geehrte Frau Stegmann,
die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan wird in der vorgesehenen Regelmäßigkeit im Bundestag debattiert, wenn die Bundesregierung das Mandat verlängern bzw. überarbeiten möchte. Die Bemühungen um die Schaffung eines sich selbst tragenden Staates sind nicht aussichtslos, wenn die Unzulänglichkeiten der bisherigen Strategie schnell und umfassend beseitigt werden. Das alleinige Setzen auf eine militärische Lösung war von Anfang an falsch und zu einseitig. Die Befürworter einer UN-mandatierten militärischen Unterstützung für den Wiederaufbau Afghanistans haben mehrfach dafür plädiert, den zivilen und polizeilichen Wiederaufbau des Landes nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Forderungen nach einem umfassenden Strategiewechsel und die differenzierte Haltung in der Wiederaufbaufrage in Afghanistan werden von der Linksfraktion und anderen Populisten geflissentlich verschwiegen. Sie reden gebetsmühlenartig vom Völkerrecht, ohne die daraus erwachsende Verantwortung zu thematisieren.
Die „Taliban“ sind keine einheitliche politische Bewegung. Es wäre kurzsichtig, die „Taliban“ nur mit militärischen Mitteln besiegen zu wollen. Aber auf die Assistenz des Militärs im Kampf gegen die militärischen Offensiven der sich als „Taliban“ bezeichnenden Kräfte zu verzichten, käme einer vorauseilenden politischen Selbstaufgabe gleich. Bei Ihren Ausführungen zum Thema Terrorismus und Antiterrorkampf übergehen Sie die Ablehnung des Irak-Kriegs der Bush-Administration und des von Bush proklamierten Kampfs gegen Terrorismus durch die Grünen, um offensichtlich einer falschen Logik das Wort zu reden und mit falschen Unterstellungen argumentieren zu können. Terroristen gibt es natürlich nicht nur in Afghanistan, das Hauptproblem in Afghanistan ist auch der Wiederaufbau und nicht die Bekämpfung des Terrorismus. Einen direkten Zusammenhang mit den Ölstaaten sehen wir da nicht. Das ist ein lieb gewordener Reflex von manchen Kreisen, mit dem Hunger nach Öl alles Übel der Welt erklären zu wollen. Diese Interpretation greift jedoch zu kurz und ist nicht geeignet, die Vielschichtigkeit der Probleme in den ölreichen Ländern zu analysieren. Ausgerechnet im Falle von Sudan ist die Notwendigkeit eines international abgestimmten Eingreifens unbestritten. Manche Rhetorikhelden des Völkerrechts kneifen aber, wenn es darum geht, klare und unmissverständliche Beschlüsse zu fassen und diese Entschlossenheit den Machthabern in Sudan und Darfur zu signalisieren.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth