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Frage von Michael B. •

Frage an Claudia Roth von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrtes Büro-Team von Frau Claudia Roth,

Ihre Antwort vom 18.02. - vielen Dank - zu meiner Frage vom 11.02. irritiert mich. Ich habe hierzu eine Nachfrage:

Sie schreiben: "Erdogan hat zu den versammelten Menschen in Köln klar und unmissverständlich gesagt: Integriert Euch, lernt Deutsch, werdet deutsche Staatsbürger ..."

Da ich mich so positiv dargestellt nicht an die Aussagen bei dieser Veranstaltung erinnern konnte, habe ich die Übersetzung ausgedruckt und sorgfältig durchgelesen. Tatsächlich hat Herr Erdogan zu diesem Thema in chronologischer Reihenfolge gesagt:

"Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
"Jedoch würden Sie, wenn Sie die Sprache des Landes erlernen, in dem Sie leben ... in jeder Hinsicht davon profitieren."
"Wenn Sie die Sprache des jeweiligen Landes nicht beherrschen, nicht lernen, so fallen Sie unweigerlich in eine Situation der Benachteiligung."
"Sie können Druck ausüben, um Beschlüsse der Parlamente in den jeweiligen Ländern zu erwirken."

Frage: Wie soll eine gelungene Integration ohne jegliche Assimilation (Anpassung) an das Gastgeberland gelingen?

Frage: Wenn das Erlernen der deutschen Sprache unseren Mitbürgern mit islamischen Migrationshintergrund nur Vorteile bringt, warum diskreditiert Frau Claudia Roth eine verbindliche Regelung immer als "Zwangsgermanisierung"? Deutschland übernimmt doch sogar die ganzen damit verbundenen Kosten. Ich selbst würde - wie sicherlich die meisten - vor einer Auswanderung im eigenen Interesse die Sprache meines avisierten Gastgeberlandes erlernen. Wie sollte es sonst auch funktionieren? Selbstverständlich auf meine eigenen Kosten.

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Bilharz

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Sehr geehrter Herr Bilharz,

bei allem Verständnis für Ihr persönliches „Feuilleton“ und den Versuch, einfach im Gespräch zu bleiben, finden wir die von Ihnen zitierten Schlagworte "Zwangsgermanisierung" und „Assimilation (Anpassung)“ in der hiesigen politischen Debatten nicht, allenfalls bei grenzwertigen feuilletonistischen Zuspitzungen. Es ist nicht unsere Aufgabe und keine parlamentarische Tätigkeit, Sie beim Springen von Ast zu Ast bzw. von Absatz zu Absatz in Erdogans Rede aufzufangen. Mit Hilfe der einschlägigen Literatur können Sie sich ausführlich mit den Begriffen Integration und Assimilation auseinandersetzen. Denn wie die Jüdische Allgemeine schreibt: „Über Assimilation ist viel geschrieben worden. Und meist wenig Schmeichelhaftes. Hannah Arendt und Theodor Adorno sind da etwa zu nennen. Für sie war Assimilation kein natürlicher Prozess auf dem Wege zur Integration, sondern ein tragischer Endzustand der Vermengung, der individuelle Identitäten zerreißt und tolerante Gesellschaften vernichtet. Statt des assimilatorischen Drucks der Gleichmacherei verlangte Adorno poetisch nach einer „Versöhnung der Differenzen“. Heute würde man das wohl trocken „Integration“ nennen.“ (Jüdische Allgemeine vom 21.02.08)

Zu Inhalten und politischer Bewertung des Besuchs von Ministerpräsident Erdogan haben wir Ihnen bereits ausführlich geantwortet. Dieses Forum ist im Übrigen nicht dazu geeignet und auch nicht dafür gedacht, Interpretationshilfen zu liefern und mit Einzelpersonen zu diskutieren, sondern um Sachfragen zur parlamentarischen Arbeit zu beantworten.

Bei Integrations- und Sprachkursen bringen Sie einiges durcheinander, diese Kurse sind eher bildungspolitische Maßnahmen für eine Bevölkerungsgruppe, die von unserem Bildungssystem systematisch ignoriert wird. Außerdem beteiligen sich die Teilnehmer an den Kosten für die Kurse, abgesehen davon, dass die Kurse überall unterfinanziert sind und in der Qualität viel zu wünschen übrig lassen. Deshalb haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht, den Sie sich über diesen Link ansehen können: www.dip1.btg/btd/16/081/1608183.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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