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Claudia Roth
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Frage von Anton S. •

Frage an Claudia Roth von Anton S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Roth,

die Hessenwahl hat mich sehr beschäftigt. Eine ähnliche Pattsituation befürchte ich auch bei der Bundestagswahl 2009.

Ihre Wählerschaft ist überdurchschnittlich gebildet und verfügt über ein überdurchschnittliches Nettoeinkommen. Glauben Sie, dass diese Wählerschaft eine rot-rot-grüne Regierung mittragen würde? Das nunmehr stärker sozial ausgeprägte Parteiprogramm scheint ihre Wähler nicht vollends überzeugt zu haben. Ihre Kernkompetenzen liegen in der Umweltpolitik. Diese ist heute nicht mehr per se links von der Mitte einzuordnen.

Unter welchen Umständen erscheint für Sie eine Koalition aus Union, FDP und Grünen als möglich? Wäre dies denkbar, wenn das schwarz-gelbe Lager in seiner Energiepolitik umschwenkt und ein ehrgeiziges Programm zum Ausbau der regenerativen Energien mitträgt oder hapert es aus ihrer Sicht an weiteren Stellen?

Angenommen es gäbe zwingend nur zwei Alternativen. Welche erachten sie für die Zukunft unseres Landes als nützlicher: rot-rot-grün oder "Jamaika"?

Ich bedanke mich für Ihre Mühe und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Anton Stubenhöfer

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Sehr geehrter Herr Stubenhöfer,

die Wahlen in Hessen haben deutlich gemacht, dass es nach dem Bundestag nun auch in den Landtagen zum 5-Parteien-System kommen kann. Trotzdem sind auch künftig Mehrheiten in Zweier-Konstellationen nicht ausgeschlossen. In Hamburg kämpfen wir mit guten Chancen ganz klar für rot-grün. Das ist auch unsere Präferenz, weil wir nicht nur einen Regierungs-, sondern einen Politikwechsel wollen. Dieser geht nur mit der SPD. Er geht nicht mit einer Partei an deren Spitze Kanzlerin Merkel für Atom wirbt, gegen Mindestlohn kämpft, für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren streitet und von Integration redet aber eine ausgrenzende Politik betreibt. Es gibt keine Äquidistanz zur SPD und Union, das hat gerade Hessen deutlich gemacht. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Natürlich können sich Parteien verändern und neue Bündnismöglichkeiten entstehen, auch mit der Linkspartei, das aber ist Zukunftsmusik.

76 % der Grünen-Wähler, mehr als bei jeder anderen Partei, stufen sich als links ein, ohne damit ein staatsdirigistisches Politikverständnis oder Planwirtschaft zu verknüpfen. Der Stellenwert von sozialer Gerechtigkeit ist für dieses Klientel deshalb besonders groß.

Die neoliberale Programmatik und die Fesselung der FDP an die Union wird nicht ewig anhalten. Jahrzehntelang hat sich die FDP mit der sozialen Marktwirtschaft bestens arrangieren können. Sie hätte also das Potenzial, libertär-soziale Inhalte mitzutragen.

Die Linkspartei ist ein politischer Faktor, mit dem wir uns politisch auseinandersetzen müssen. Ich setze mich mit großer Leidenschaft zum Beispiel mit Lafontaine auseinander, der sich für Folter ausspricht, gegen die Türkei polemisiert und von Fremdarbeitern schwadroniert.

Bei jeder anstehenden Koalitionsfrage gehen für uns Inhalte vor Macht. Sich diversen Farbenspielen ohne Rücksicht auf Inhalte hinzugeben, entspricht nicht einer programmatisch geleiteten Politik, die die Grüne Politik ausmacht.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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