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Frage von Johanna G. •

Frage an Claudia Roth von Johanna G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Roth,

nach Ihrem Parteitag haben Sie nun das Thema Grundeinkommen / Grundsicherung thematisiert. Ein weiteres Thema, das jedoch damit eng in Verbindung steht, ist die Tatsache, dass eine Wirtschaft im Wachstumszwang aufgrund der Zinsmechanismen des Geldmarktes, eine immer schneller immer günstigere immer rationellere Produktion verlangt und dazu braucht es immer mehr Menschen, die für immer weniger Geld arbeiten bzw. immer weniger Menschen ein Auskommen mit Arbeit möglich macht, während die Eigentümer von Grundbesitz und Kapital durch den Zins- und Zinseszinseffekt immer mehr Reichtümer auf sich vereinen. Das ist meiner Ansicht nach der Grundmechanismus für die Spaltung der Gesellschaft in sehr viele Arme und ganz wenige Reiche. Konsequent weitergedacht heißt es: So lange die Zins- und Zinseszinspolitik weiterhin wuchert, wird sich diese Schere zwangsläufig noch weiter aufspreizen. Ein Grundeinkommen wäre zwar ein Pflaster, aber kein Heilmittel für diese Entwicklung.

Haben sich die Grünen schon einmal mit alternativen Geldmodellen nach Silvio Gesell (umlaufgesichertes Geld statt Gewinnmaximierung durch Hortung) befaßt? Übrigens gibt es solche Modelle bereits in einzelnen Regionen der Republik, z.B. den "Chiemgauer".

Ziel muss doch sein, den Menschen die Möglichkeit zu geben, über ihre Arbeit ihr Auskommen zu finanzieren, statt von Staats wegen Armut zu finanzieren. Und dies funktioniert damit, dass der Ertrag aus Arbeit zum Überleben reicht, statt eine Hungerlohnpolitik zu betreiben, die letztlich wieder nur den kapitalstarken Schichten nutzt, und damit die Spaltung erneut vergrößert. Die sozialen Spaltungen sehe ich auch als große Gefahr für die Stabilität der Demokratie. Und deshalb sind die Regierenden aufgefordert, nach Lösungen zu suchen, die diese - systemimmanente - Spaltung aufhält.

Welche Vorschläge haben die Grünen diesbezüglich, die das Problem bei der Wurzel packt, statt nur die Auswüchse zu kurieren?

Mit freundlichen Grüßen
Johanna Goede

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Sehr geehrte Frau Goede,

grüne Wirtschafts- und Sozialpolitik ist nicht nur auf das Thema Grundsicherung beschränkt. Auf dem Parteitag in Nürnberg, auf den Sie sich in Ihrer Frage beziehen, hat die Partei ein umfassendes Papier mit dem Titel „Nachhaltig und gerecht - Grüne Marktwirtschaft“ beschlossen. Darin können Sie unter anderem grüne Vorschläge für eine Neuordnung des Verhältnisses von Markt, Staat und Gesellschaft finden.

Sicherlich spielen Geldpolitik und Zinsmechanismen in jeder Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. Deshalb sind die Zinsmechanismen des Geldmarktes nicht zu unterschätzende Hebel bei der Lösung von gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen. Dennoch darf die Rolle der Zins- und Geldpolitik bei der „Unwucht“ einer Volkswirtschaft und der Sozialpolitik nicht überschätzt werden. Die freie Marktwirtschaft bedeutet ja nicht, dass die Wirtschaft und das Wirtschaftsleben ohne Leitplanken und ohne Steuerungsmechanismen stattfinden können. Gerade in der Finanz- und Steuerpolitik wird die Bedeutung von Steuerungsmechanismen von niemandem ernsthaft bestritten, Wir sind der Auffassung, dass Zinseinkünfte eine Gleichbehandlung mit anderen "konventionellen" Einkunftsarten erfahren müssen. Wir plädieren für eine breitere Versteuerung von Zinseinkünften und wollen Zinseinkünfte auch zur Berechnung der Abgaben jedes Einzelnen in die sozialen Sicherungssysteme berücksichtigt sehen. Unsere Stoßrichtung zur Reform der leidenden sozialen Sicherungssysteme besteht demnach in einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen, also auch der Einbeziehung von Zinseinkünften.

Eine darüber hinaus gehende Verschärfung des freien Zinsmarktes lehnen wir allerdings ab. Kapital ist ein Wirtschaftsgut wie jedes andere auch. Es unterliegt Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage. Ein ausreichender Kapitalstock ist zudem zur Entwicklung einer komplexen Volkswirtschaft wie der unsrigen von elementarer Bedeutung.

Skeptisch zu beurteilen ist aus diesem Grund ebenfalls die grundsätzliche Einführung einer Geldumlaufgebühr. Den Vorschlag eines "Brakteatengeldes" (ähnlich die Überlegungen von Silvio Gesell) mag regional interessant sein, dieses wird als Modell mancherorts ja auch praktiziert. Gesamtgesellschaftlich halten wir dies aber nicht für praktikabel und verfassungsrechtlich für fragwürdig. Sinnvoll ist sicherlich, den Faktor Arbeit stark zu entlasten und den Faktor Kapital, besonders aber den Faktor Energie, stärker zur Finanzierung der Staatsausgaben heranzuziehen.

Eine der vordringlichsten Inhalte Grüner Finanz- und Haushaltspolitik besteht in der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, denn die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand wird zunehmend durch die laufende Zinsbelastung eingeschnürt. Allein im Haushaltsjahr 2007 werden die Zinsleistungen rund 40 Mrd. Euro ausmachen. Dieses Geld steht vielen wichtigen staatlichen Aufgaben somit nicht mehr zur Verfügung. Wir wirtschaften auf Kosten der nachfolgenden Generationen.

Mit freundlichen Grüßen,

Das Büro-Team von Claudia Roth

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