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Claudia Roth
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Frage von Dirk K. •

Frage an Claudia Roth von Dirk K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Roth,

letzte Woche habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen, dass gem. Entscheidung des Bundeskabinettes die Abstimmungen über das ISAF-Mandat und das Tornado-Mandat (ab 13.10.07) gekoppelt werden sollen. Ich sehe hierbei sowohl (a) den ISAF-Einsatz (Wiederaufbau) und (b) den Tornado-Einsatz ("Eigenschutz" der ISAF-Truppen durch Aufklärung) mit diesen Zweckbestimmungen und für sich gesehen sinnvoll und notwendig an - so denn eine völkerrechtlich Abgedeckung permanent gewährleistet ist.

Während ich dies zu "a" annehme,sehe ich dies aufgrund der Verquickung der Kommandostrukturen vor Ort mit OEF und der Einsatzdynaals als nicht "durchhaltefähig" gesichert an.Ich spreche hier von der "Gefahr" der Weitergabe von Aufklärungsbildern an die OEF-Truppen,welche in der Vergangenheit mehr als einmal durch ihre sog. "Kolateralschäden" in die Schlagzeilen gerieten und damit nicht zuletzt das Vertrauen der dortigen Bevölkerung in den ISAF-Einsatz und sein Konzept "winning hearts & minds" gefährdet haben.
Das BVerfG sieht in seinem Tornado-Urteil diese Verquickung als nicht gegeben an, gesteht jedoch ein, dass "soweit eine Aktion der Operation Enduring Freedom - was nicht auszuschließen sei - mit dem Völkerrecht nicht im Einklang stünde und sich auch auf Aufklärungs- ergebnisse der Tornados zurückführen ließe, eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der NATO (hier: der Bundeswehr) ausgelöst werden könnte".
Beraubt man sich - vor diesem Hintergrund - bei einer Gesamtabstimmung nicht der Möglichkeit einer ggf. notwendigen "nachträglichen" parlamentarischen Kontrolle zugunsten abstimmungstaktischen "Spielereien", wenn Einsatz "b" völkerrechtlich aus dem Ruder läuft und böte dies nicht zuletzt wieder Raum für eine Organklage, wegen einer mögl. Verletzung des Parlamentsvorbehaltes und des freien Mandates in dem Sinne:

2 Einsätze mit unterschiedl. völkerr. Gefahrenpotential = Recht des Bundestages und des Abgeordneten auf 2 Abstimmungen?

MfG, Dirk Käufer

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Sehr geehrter Herr Käufer,

die Zusammenlegung von zwei unterschiedlichen Mandaten, ISAF- und Tornado-Einsatz, ist ein taktisches Spielchen der Bundesregierung, um die begründete und nicht zu unterschätzende Kritik am Tornado-Einsatz in den eigenen Reihen der SPD- und CDU-Bundestagsfraktionen unwirksam zu machen. Noch im Frühjahr haben insgesamt 74 Abgeordnete der Koalition gegen die Tornados gestimmt. Die große Koalition weiß wohl, dass das ISAF-Mandat und der Einsatz der Bundeswehr in dessen Rahmen von der übergroßen Mehrheit der Fraktionen im Bundestag getragen werden. Anders verhält sich das mit dem Tornado-Einsatz. Die Bundesregierung ist einer Evaluierung des bisherigen Einsatzes von Tornados und dessen Nutzen bisher schuldig geblieben. Die veranschlagten 70 Mio. Euro für den Tornado-Einsatz hätten beispielsweise im zivilen Aufbau viel besser und effektiver verwendet werden können als für Bilder, deren völkerrechtskonforme Weiterverwendung noch im Dunklen bleibt. Deshalb teile ich Ihre Kritik an der Zusammenlegung der Mandate und der erzwungenen Abstimmung über ein gekoppeltes Mandat ausdrücklich. Aus diesem Grund werde ich mich der Stimme enthalten, weil ich für die Fortsetzung des ISAF-Mandats aber für die Beendigung des Tornadoeinsatzes bin. Beim Wiederaufbau Afghanistans brauchen wir eine militärische Assistenz der Aufbauarbeit, die die ISAF vor Ort leistet und m.E. weiter leisten soll.

Die erdrückende Mehrheit der großen Koalition darf nicht dazu führen, das Parlament zu schwächen und es zu einer Arena von taktischen Spielereien zu degradieren.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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