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Claudia Roth
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Frage von Michael D. •

Frage an Claudia Roth von Michael D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Roth,

wo fange ich eine Frage an eine so wichtige Bundesdeutsche Politkerin an?

Ich denke mit einem Lob.

Ich finde es hervorragend, dass Sie alle Fragen beantworten, wobei ich jedoch annehme, dass das eine Ihrer Mitarbeiter übernimmt, lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Nun meine Kritik bzw. Frage:

Ich bin 1981 in Berlin Neukölln geboren, aufgewachsen und lebe noch heute in diesem Bezirk. Alle reden und schreiben immer von Integration und dass die Deutschen vor allem so engstirnig sind und niemanden an sich ranlassen. Ich sehe das genau anders herum, vielleicht, weil ich damit aufgewachsen bin.

Ich habe Mitmenschen in meinem Haus wohnen, die ich seit meiner Geburt kenne, jedoch jeder Versuch sich mit Ihnen auseinander zu setzen schlug bisher mangels Sprache fehl.

Ich bin mit deren Kindern zur Schule gegangen und wir bekamen die gleiche Grundbildung und doch können sie bis heute kein richtiges Deutsch! Warum ?

Ich sehe tagtäglich Gewalt und Intoleranz von Migranten (vor allem Türken und Arabern) gegenüber Deutschen.

Es gibt so viel Möglichkeiten für Migranten sich in unsere Gesellschaft zu integrieren und doch wird alles missachtet.

Warum ?

Ich bin nach außen hin bekennender Laizisist, ich trage zwar ein christliches Kreuz, jedoch unter einem TShirt oder einem Pullover.

Ich fühle mich stark diskrminiert, wenn ich Kopftücher sehe oder Burkas, da ich mich selber einem Zwang ausgesetzt fühle.

Mir wird eine Religion oktroyiert, die ich selber nicht wählen möchte.
Das Gefühl ist vielleicht zu beschreiben mit Zeugen Jehovas , die an eine Haustür klingeln und man kann die Tür nicht zumachen.

Warum ?

Ich dachte es steht mir ohne Zwang per Grundgesetz eine freie Wahl der Religion zu, oder ?

Ich probiere immer objektiv zu denken, doch es wird immer schwieriger für mich und mit jedem Stück Gewalt, mit jedem Kopftuch werde ich Migrantenfeindlicher und dazu tragen auch Ihre poltische Wege bei.

Warum ?

Mit freundlichen Grüssen
Michael Donner

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Donner,

Danke für das Lob. Selbstverständlich wird die Arbeit in meinem Büro auf mehrere Schultern verteilt. Anders wäre weder die parlamentarische Arbeit noch die Wahrnehmung von politischen Terminen und Veranstaltungen zu gewährleisten. Die Beantwortung von Briefen, Mails und erbetenen Stellungnahmen ist nur mit Hilfe von Mitarbeitern möglich, die mir zuarbeiten und vieles im Vorfeld vorbereiten. Nicht selten werden Antworten aus technischen und zeitlichen Gründen mit meinem Einverständnis von meinen Mitarbeitern unterzeichnet. Dies sind Selbstverständlichkeiten im Berufsalltag von Abgeordneten.

Was Ihre Beschreibung der eigenen Kindheit und Nachbarschaft anbelangt, so kann kein Politiker Ihre Befindlichkeiten, Empfindungen und Überzeugungen auf der Basis von persönlichen Erlebnissen und Ihrer eigenen Biographie analysieren und Ihnen Ratschläge geben. Dafür gibt es Fachleute mit einschlägigen Qualifikationen. Einzelfälle und einzelne Biographien zu verallgemeinern, ist keine seriöse Methode in der Wissenschaft wie in der Politik. Denn es gibt auch sehr viele andere, positive Beispiele von erfolgreichen Einwanderern und Einwandererkindern in allen Lebensbereichen. Und trotz aller Integrationsdefizite und der Debatten darüber erkennen alle Beteiligten an, dass sich die große Mehrheit der Einwanderer in Deutschland erfolgreich integriert hat. Fakt ist, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland bis vor kurzem keine Integrationspolitik gehabt haben. Die Bundesrepublik Deutschland ist bereits in den 1950er Jahren mit den ersten italienischen „Gastarbeitern“ zu einem Einwanderungsland geworden. Bis Ende der 1990er Jahre war die Mehrheit der politischen Elite in Deutschland aber nicht bereit zuzugeben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Denn die Konsequenz dieses Zugeständnisses wäre gewesen, ein umfassendes Integrationskonzept erarbeiten zu müssen. Diese realitätsfremde „Gastarbeiterpolitik“ hat dazu geführt, dass die ständige Ausgrenzung der hier lebenden Einwanderer als „Ausländer“ mangelnde Sprachkenntnisse und Hilflosigkeit im Umgang mit der deutschen Sozial- und Bildungsbürokratie zur Folge hatte. So galten die sozialen Probleme und Ungleichheiten oder die schlechteren Bildungschancen von Migranten als externe Probleme von „Gastarbeitern“ aus „rückständigeren“ Ländern. Der Rückkehrmythos war dabei eine Illusion sowohl der Einwanderergeneration als auch der deutschen Politik.

Wenn Gewalt und in Gewalt mündende Intoleranz zu einem tagtäglichen Problem werden, dann haben alle Einrichtungen versagt, die Konfliktprävention und gewaltfreien Umgang mit Alltagsproblemen zum Ziel haben. An der Stelle müssen alle Möglichkeiten des Rechtsstaates und der Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung von Gewalt und Kriminalität eingesetzt und ausgeschöpft werden, ohne Rücksicht auf Rang und Namen der Personen.

In einem Stadtteil mit vielen anderen Religionen und Menschen aus anderen Erdteilen gibt es keinen anderen Weg des Zusammenlebens außer Respekt vor- und füreinander. Selbstverständlich, dass Ihnen niemand und keine Institution ein Kopftuch oder eine andere Religion aufzwingen kann. Es ist aber auch keine Diskriminierung Ihnen gegenüber, wenn andere Menschen sich das Recht nehmen, anders auszusehen.

Die alltägliche Präsenz von Anhängern anderer Religionen im öffentlichen Raum kann jedoch keine Begründung für eine menschenverachtende Einstellung gegenüber Migranten und „Ausländern“ sein. Auch ist es kein Zeichen mangelnder Integration, wenn Menschen als Gläubige – egal welchen Glaubens - erkennbar sind. Die bundesrepublikanische Realität ist bunt und vielfältig, auch in Bezug auf Kultur und Religion. Ein Gedankengut, das diese Realität zugunsten eines einheitlichen Auftretens beschneiden will, richtet sich gegen unser Grundgesetz. Denn dieses garantiert die Religions- und Glaubensfreiheit für alle Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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