Frage an Claudia Roth von Katrin U. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Roth,
bezogen auf die Aktion Ihrer Partei "Stoppt Schüffel-Schäuble" habe ich eine Anmerkung und eine Frage: Bereits im September 2005 hat eine EU-Kommission im Rahmen der Terrorbekämpfung eine Richtlinie zur Aufbewahrung von Verbindungsdaten (Festnetz, Mobilfunk, Internet) vorgeschlagen. Wo blieb da Ihr Widerspruch, oder habe ich etwas übersehen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Uhlmann,
ja, Sie haben einiges übersehen. Die umstrittene Richtlinie für die verpflichtende Speicherung von Telekom- und Internet-Verbindungsdaten zur Verbrechens- und Terrorbekämpfung wurde im September 2005 beschlossen. Das positive Votum der EU-Abgeordneten basierte auf einem Minimalkompromiss, den EU-Justizminister vorher erzielt hatten.
Die Grünen im Europaparlament haben diese Entscheidung als "Scheinlösung" kritisiert. "Das wird weder helfen den Terrorismus zu bekämpfen, noch die Bürgerrechte angemessen zu schützen." Alle wichtigen Passgen der Umsetzung blieben den Mitgliedstaaten vorbehalten. "Manche Nationalstaaten werden den Rückenwind aus Europa benützen, um das gegen ihre Bevölkerung und ihre Parlamente durchzusetzen. Das ist nicht nur ein schlechter Kompromiss, sondern führt auch zu völliger Rechtsunsicherheit." Außerdem werde es wegen der fehlenden Kostenerstattung zu einer Marktbereinigung unter den Providern kommen.
Daraufhin forderten die Grünen in einem Antrag an den deutschen Bundestag "Freiheit des Telefonverkehrs vor Zwangsspeicherungen" (Drucksache 16/237, 14.12.05), dass die Bundesregierung
- in europäischen Verhandlungen eine ablehnende Haltung zu einer Mindestspeicherfrist als Verhandlungsgrundlage wählt,
- sich gegen die Einführung der europaweiten Speicherung der "Nutzerspuren" (TK-Verbindungsdaten) einsetzt,
- Unternehmen keine Kosten für "bürokratische Maßnahmen" auferlegt.
Der Antrag wurde am 15.12.05 im Bundestagsplenum debattiert und anschließend an die Parlamentsausschüsse überwiesen.
In einem anderen Antrag an den Deutschen Bundestag "Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof prüfen lassen" (Drucksache 16/1622, 26.05.2006) forderten die Grünen zusammen mit den Fraktionen Die Linke. und die FDP die Bundesregierung auf,
- gegen die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung) Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 230 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zu erheben;
- bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von einer Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG in nationales Recht abzusehen.
Der Antrag wurde am 20.06.2006 im Bundestagsplenum debattiert. Der Antrag wurde bei einer Enthaltung aus der Unionsfraktion mit den Stimmen der SPD- und der Unionsfraktion abgelehnt.
Die Bundesregierung geht mit europäischen Richtlinien bekanntlich selektiv und nach dem Prinzip Doppelter Standards vor. Die vollständige Umsetzung der europäischen Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen zum Beispiel lässt immer noch auf sich warten. Bei der Einschränkung und beim Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten ist sie aber ganz vorne dabei.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Roth