Frage an Claudia Roth von Andreas K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
Laut SPIEGEL-Online ( http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,489628,00.html )
drohen im Iran zwei Verurteilungen zum Tod durch Steinigung in Kürze vollstreckt zu werden.
Sind von Ihrer Seite oder von Seiten Ihrer Partei öffentlichkeitswirksame Proteste oder sonstige Maßnahmen hiergegen geplant? Falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre ich Ihnen für eine Erläuterung der Gründe hierfür sehr verbunden.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kirchner
Sehr geehrter Herr Kirchner,
vielleicht haben Sie auch die darauf folgenden Entwicklungen in diesem traurigen und dramatischen Fall verfolgen können. Der Chef der iranischen Justiz hat wenige Stunden später höchstpersönlich interveniert und die Vollstreckung des Urteils in der Stadt Takistan-Ghazvin einstweilen verboten. Im innenpolitischen Machtkampf Irans setzen die fundamentalistischen Kreise mit solchen Aktionen und Entscheidungen ganz bewusst auf eine Verschärfung der Konfrontation mit der internationalen Gemeinschaft und auf Provokationen, die dem Land die von diesen Kräften ersehnte Isolation bescheren soll.
Die Menschenrechtsorganisationen haben hierbei rechtzeitig reagiert und zu Protestaktionen mobilisiert. Die Reaktion der norwegischen Offiziellen war richtig und wichtig. Vom Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt war leider nichts zu hören. Aber genau dieses Amt ist die politische Ebene, von der öffentlichkeitswirksame Proteste erwartet werden.
Aufgrund der tagtäglichen Menschenrechtsverletzungen im Iran ist es einfach nicht leistbar, in jedem Einzelfall Proteste seitens der politischen Parteien zu organisieren. Deshalb stehen wir im engen Kontakt zu Menschenrechtsaktivisten, Frauenorganisationen und oppositionellen Organisationen Irans, die sich für Gewaltfreiheit und einen demokratischen, friedlichen Iran einsetzen. Die endgültige Streichung von Steinigung aus dem ohnehin mittelalterlichen Strafgesetzbuch des Landes ist ein Dauerthema bei Gesprächen, Reden und Stellungnahmen von Politikerinnen und Politikern unserer Partei. Zum Beispiel kann ich auf folgende Aktivitäten hinweisen: Seit August 2006 läuft die Kampagne „Eine Million Unterschriften zur Änderung von diskriminierenden Gesetzen“ parallel zu anderen Aktivitäten wie „Kampagne zur Aufhebung der Steinigung“ im Iran. Sie wird getragen von iranischen Frauenrechtlerinnen und beruft sich auf die Allgemeine Menschenrechtserklärung und Gleichberechtigung. Siehe dazu:
http://gegen-frauendiskriminierende-gesetze.blogspot.com/
http://www.weforchange.info/spip.php?article19
Auch die exzessive Vollstreckung der Todesstrafe im Iran bereitet uns und der demokratischen Weltöffentlichkeit große Sorgen. Wir benutzen jedes erdenkliche Forum, um auf dieses Problem hinzuweisen und die Befürworter der Abschaffung der Todesstrafe im Iran zu stärken. In dieser Woche hat die ai einen Bericht veröffentlicht, der erschreckend ist: Im Iran warten aktuell 71 Jugendliche und Kinder auf die Vollstreckung der Todesstrafe. Die iranische Justiz hat seit 1990 die meisten Jugendlichen/Kinder weltweit hingerichtet: 24 Personen, 11 davon Personen, die zum Zeitpunkt der Hinrichtung unter 18 Jahren waren, die anderen saßen so lange im Gefängnis, bis sie das 18. Lebensjahr erreicht hatten.
Aufgrund der Informationspolitik der iranischen Justiz, die gezielt desinformiert oder keine Angaben macht, dürfte die Dunkelziffer ziemlich hoch sein.
Parallel zur Unterstützung und Solidarität mit den iranischen Menschenrechtlern, Strafen wie Steinigung und Todesstrafe gänzlich abzuschaffen, müssen wir immer wieder auf die Zusagen der iranischen Führung der internationalen Gemeinschaft gegenüber hinweisen und sie in die Pflicht nehmen, keine Steinigungen mehr zu praktizieren.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ali Mahdjoubi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter