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Claudia Roth
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Frage von Gottfried G. •

Frage an Claudia Roth von Gottfried G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Frau Roth,
als Telekommitarbeiter würde mich Ihr Standpunkt zum Streik der Telekombeschäftigten wegen der massiven Lohndrückerei unseres Vorstandes Herrn Obermann interessieren.
Wir wurden 2004 vom Vorstand in den damahligen Tarifverhandlungen von 38 auf 34 Wochenstunden gedrückt verbunden mit Lohneinbußen (wir wollten unser Gehaltsgefüge behalten). Jetzt sollen wir wieder auf 38 Wochenstunden hochgefahren werden und gleichzeitig auf 9% unseres Gehalts verzichten.

Mit freundlichen Grüßen

Gottfried Groitl

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Sehr geehrter Herr Groitl,

haben Sie vielen Dank für Ihr Interesse. Im Namen von Frau Claudia Roth antworte ich gerne auf Ihre Frage. Frau Roth unterstützt das Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telekom. Es ist richtig: Die Telekom befindet sich in einer außerordentlich schwierigen Situation. Es ist auch richtig, dass der Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt extrem hart geworden ist. Im Jahr 2006 hat die Telekom allein im Festnetzbereich 2 Millionen Kunden verloren. Im ersten Quartal dieses Jahres ist das leider überhaupt nicht besser geworden.

Niemand bezweifelt, dass es bei der Telekom einen großen Sanierungsbedarf gibt. Es stellt sich aber die Frage, ob die Einsparung im Personalbudget tatsächlich die einzige Schraube ist, an der man sinnvollerweise drehen kann. Durch die Verbesserung der Dienstleistungsqualität lassen sich neue Marktanteile gewinnen. Um die Dienstleistungsqualität wirklich zu verbessern, braucht man aber gut qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die kommen der Telekom aufgrund des Vorgehens des Vorstandes jetzt gerade abhanden.

Die Beschäftigten haben in den letzten Jahren erhebliche Solidarbeiträge geleistet. Sie haben ein Einsehen in die Schwierigkeit der Situation gezeigt. Sie haben eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 34 Stunden und damit eine Reduzierung ihres Lohnes hingenommen. Aber jetzt sollen sie nicht nur 38 Stunden oder mehr für diesen abgesenkten Lohn arbeiten, sondern auch eine weitere Lohnkürzung um 9 Prozent in Kauf nehmen. Dass das auf Widerstand stößt, ist sicherlich verständlich. Nach den Vorstellungen des Telekom-Vorstands soll eine neu eingestellte Mitarbeiterin im Callcenter zukünftig 1 150 Euro brutto verdienen. Das sind die Armutslöhne, gegen die die mitregierende SPD auf der Straße Unterschriften sammelt. Damit will die Telekom bis zum Jahr 2010 4,5 Milliarden Euro einsparen. Aber gleichzeitig verspricht die Telekom ihren Aktionären, dass die Rekorddividende von 3 Milliarden Euro im Jahr 2006 auch 2007 gezahlt wird. Die Rendite steigt, die Löhne sinken. Dass das dazu führt, dass die Beschäftigten auf die Barrikaden gehen, kann doch niemanden verwundern.

Nun stellt sich die Frage, was die Bundesregierung macht. Hat sie wirklich keine Rolle zu spielen? Sie sitzt im Aufsichtsrat und hat genau diesem Sanierungsprogramm zugestimmt. Jetzt macht sie sich einen schlanken Fuß und schaut einfach zu, wie der Karren an die Wand fährt.

Zusätzlich hat die Bundesregierung zur Sanierung des Bundeshaushaltes noch Aktien verkauft, und zwar an genau die "Heuschrecken", die sie angeblich regulieren will. Sie hat so viele Marktanteile an den Finanzinvestor Blackstone verkauft, dass dieser einen Aufsichtsratsposten bekommen hat und das Sanierungsprogramm unterstützt. Dafür trägt die Bundesregierung Verantwortung. Jetzt hält die Bundesregierung sich heraus, zieht den Kopf ein und lässt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Strategie ausbaden.

Niemand verlangt, dass die Bundesregierung quasi staatsdirigistisch die Vorstandsaufgaben übernimmt. Aber die Gleichgültigkeit, die sie gegenüber einem ehemaligen Staatsunternehmen, bei dem sie Mehrheitsanteilseigner ist, an den Tag legt, ist unverantwortlich.
Der Konflikt zerreißt den Konzern. Dabei kann die Bundesregierung nicht einfach zugucken. Dann gibt es nur Verlierer. Das können wir nicht wollen.

Mit freundlichen Grüßen

Ali Mahdjoubi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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