Frage an Claudia Roth von Tobias L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Roth,
Wie stehen Sie zum Gnaden Gesuch von Christian Klar?
Und warum?
Mit freundlichen Grüßen
T.Laue
Sehr geehrter Herr Laue,
im Namen von Frau Claudia Roth möchte ich Ihnen antworten. Über die Medien haben Sie sicherlich erfahren, dass Claudia Roth sich für eine Begnadigung von Christian Klar ausgesprochen hat. Die Gründe dafür sind hinreichend bekannt: Eine rechtsstaatliche Aufarbeitung der „Bleiernen Zeit“ des RAF-Terrorismus und eine auf die Stärke des Rechtsstaats setzende Versöhnungs- und Reintegration von Ex-Terroristen.
Sie hat die Drohungen von Union, CSU und FDP gegen den Bundespräsidenten im Vorfeld seiner Entscheidung kritisiert, die ihn unter Druck gesetzt, keine Achtung vor der Person Horst Köhler gezeigt und das Präsidentenamt missachtet haben. Die Äußerungen an die Adresse des Bundespräsidenten waren erpresserisch und nötigend.
Der Bundespräsident hat sich ja gegen eine Begnadigung von Christian Klar entschieden. Diese Entscheidung respektieren wir alle, weil die Gnadenkompetenz nur dem Bundespräsidenten zusteht. Dazu hat die Süddeutsche Zeitung zutreffend geschrieben:
„Aus der Diskussion über einen individuellen Gnadenakt war eine Debatte über das gesamte verbrecherische Kollektiv RAF geworden, gerade so, als müsse dieser Christian Klar stellvertretend hinter Gitter bleiben - stellvertretend für die RAF, stellvertretend für ihre unaufgeklärten Verbrechen und stellvertretend für die Täter, die nie verurteilt wurden. Die Gnaden-Entscheidung des Bundespräsidenten wurde zu einer Art Schlussstrich- und Ablass-Entscheidung stilisiert, die sie natürlich nicht ist und nicht sein darf: Gnade gewährt keinen Ablass, sie ist auch kein Akt der öffentlichen Verzeihung oder der Schuldkorrektur, sie nimmt kein Gramm weg von dem Unrecht, das ein Täter auf sich geladen hat. Gnade ist einfach nur gnädig zu einem verurteilten Straftäter, nicht mehr, nicht weniger. Und oft ist es so, dass diese unverdiente Gnade (Gnade ist immer unverdient!) mehr bewirkt als alle Härte und Repression. In der Geschichte der Begnadigung von RAF-Tätern gibt es Anzeichen für diese Kraft der Gnade; keiner der Begnadigten ist rückfällig geworden.
Der Bundespräsident hat diese Gnade versagt, er hat die Begnadigung abgelehnt. Damit sind die zwei Häftlinge, die den Gnadenantrag bei ihm gestellt hatten, nicht in Ungnade gefallen - sondern nur zurück in den normalen Vollstreckungsplan. Die Verweigerung von Gnade ist keine zusätzliche Strafe für Christian Klar, der jetzt seit fast 24 Jahren im Gefängnis sitzt.
Die Ablehnung von Gnade macht aus einem Täter selbstredend kein Opfer. Die Art und Weise, wie die Gnadendebatte vor allem zuletzt von der CSU geführt wurde, hat aber den Bundespräsidenten zu ihrem Opfer gemacht: Köhlers Negativ-Votum steht nun in einem Ruch, den ihm die Söderlinge der CSU schamlos angeheftet haben - dass der Präsident womöglich seiner Wiederwahl wegen so entschieden habe. Die CSU hatte ein frivoles Synallagma hergestellt: "Zweite Amtszeit nur bei Ablehnung der Gnade". Diese Unverschämtheit war der krankhafte Höhepunkt der Gnadendebatte - und darin zeigt sich eine traurige politische Verkommenheit der CSU. Diese Partei scheint sich in einem Post-Stoiber-Delirium zu befinden. Sie ist offensichtlich derzeit zu ernsthafter Politik nicht in der Lage. Die CSU ist selber der Gnade bedürftig.
Dies gilt insbesondere dann, wenn die CSU sich nun in ihrer Schelte des Präsidenten auch noch bestätigt fühlen sollte. Sie hatte sich heftig darüber empört, dass Köhler den Häftling Klar angehört hatte und ihm deswegen vorgeworfen, er habe einen Terroristen hofiert. Die Anhörung eines Gnadenkandidaten ist aber mitnichten eine Verbeugung, sondern eine Vernehmung - also eine wichtige Grundlage für die Entscheidung. Dem Präsidenten gebührt deswegen Achtung. Missachtung gebührt der CSU.“
Besser als dieser Kommentar hätte ich die Debatte nicht auf den Punkt bringen können.
Mit freundlichen Grüßen
Ali Mahdjoubi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter