Frage an Claudia Roth von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Roth
die Forderung von Angela Merkel nach einer Europaarmee ist überfällig und man dachte schon die EVSP sei eingeschlafen.
Andererseits sind 30 Jahre als Perspektive zu lange.In dieser Zeit kann zuviel passieren.Wäre es nicht besser, wenn Deutschland und Frankreich hier vorangehen inklusive Force de frappe (vgl.die Forderung von F.J.Strauß nach einer europäischen Atommacht) und eine Art Coalition of the willing herstellen ohne dabei jedoch aus der NATO auszutreten. Würde eine eigene europäische Abschreckungsoption das Verhandlungsgewicht in den transatlantischen Beziehungen nicht erhöhen und Kerneuropa von willkürlichen Entscheidungen der USA und New Europe nicht unabhängiger und souveräner machen?
MfG
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
über eine europäische Armee wurde und wird immer wieder gesprochen. Sie ist für viele, die die Mühen und Rückschläge des europäischen Einigungsprozesses im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik kennen, eine langfristige Vision und oft auch ein kleiner Mutmacher, um an dem dicken Brett gemeinsamer europäischer Außenpolitik weiter zu bohren.
Mit dem Pleven-Plan und der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft war Europa Anfang der 50er Jahre schon einmal wesentlich weiter. Damals scheiterte er an Frankreich. Das heutige Europa der 27 Mitgliedsstaaten muss sicherlich noch viel mehr Energie aufwenden, um hier zu einer Überwindung nationalstaatlicher Souveränitätsrechte bereit zu sein. Mit dem Eurokorps und der deutsch-französischen Brigade, aber auch mit anderen multinationalen Verbänden - wie z.B. dem Deutsch-Niederländischen Korps - gibt es schon gute Ansätze. Sie zeigen aber auch, dass es jenseits der Ausrüstungsdefizite auch sprachlich und kulturell sehr schwierig ist, einsatzfähige Streitkräfte herzustellen.
Die Bundeskanzlerin sprach sich de facto dafür aus, dieses Thema der nächsten Generation zu überlassen und die USA nicht zu beunruhigen. Diesen Grundtenor teilen wir nicht. Für uns steht fest, dass Europa bereits heute im gesamten Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähiger werden muss. Durch den Abbau von Redundanzen, durch das Poolen von Fähigkeiten und durch eine stärkere Zusammenarbeit bei Rüstungsbeschaffung, Ausbildung und Training würden wir wichtige Schritte in die richtige Richtung gehen. Den Weg einer nuklear bewaffneten EU-Armee als Gegenmacht zu den USA halten wir jedoch nicht für unterstützenswert. Darüber hinaus bedarf eine EU-Armee natürlich auch einer wirklichen GASP und einer Kontrolle durch das Europaparlament.
Mit freundlichen Grüßen
Ali Mahdjoubi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter