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Claudia Roth
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Frage von Werner D. •

Frage an Claudia Roth von Werner D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Roth,

Ihr Parteikollege Rezzo Schlauch war seit 1994 Mitglied des Bundestages. Von Oktober 1998 bis Oktober 2002 Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

„seit Oktober 2002 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit“.

Nicht ganz parteitreu war sein Berufswechsel zum Partner der CSU-nahen Anwaltskanzlei Mayer & Kambli in München.
Dieser Vorgang ist zwar nicht verwerflich aber doch seltsam – besonders schwer verständlich für einen Grünen. (Ich selbst bin Ex-Grüner).

Noch seltsamer ist wohl die Tatsache, daß Herr Schlauch als ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit nun einer gut dotierten Tätigkeit als Beiratsmitglied ausgerechnet bei dem Atomkraftwerksbetreiber und -verfechter EnBW nachgeht.

Glauben Sie nicht auch, daß zumindest der politisch interessierte Wähler hier den Verdacht unterstellen könnte, daß sich ein ehemaliger Staatssekretär auf diese Art und Weise seine „Belohnung“ für die erworbenen Verdienste in seiner Amtszeit als Staatsekretär abholen könnte?
Ich will natürlich Herrn Schlauch nichts unterstellen. Aber sie müssen doch wohl zugeben, daß es schon mehr als seltsam ist, daß er ausgerechnet bei EnBW im Beirat tätig ist! Wie die demokratische Geschichte der Bundesrepublik zeigt, denke ich, ist es ein Glücksfall, nicht nur für die Grünen, daß der Wähler dumm genug ist – sonst müsste man doch Wohl das Nachparlamentarische Verhalten des Herrn Schlauch als parteischädigend bewerten. Das gilt natürlich auch für Politiker anderer Parteien.

Mein Frage konkret: Glauben Sie nicht auch, daß diese Verhaltensweisen von Politikerinnen/Politiker, Ex-Politikerinnen und Ex-Politikern der Demokratie an sich einen erheblichen Schaden zufügt, welcher letztendlich wieder einmal in einem Radikalismus enden könnte?

Werner Decker

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Decker,

mit Dank für Ihr Interesse möchte ich Ihre Frage im Auftrag von Frau Claudia Roth hiermit beantworten. Der Ausgangspunkt in der Frage „Jobwechsel von Rezzo Schlauch“ sollte immer und zuallererst der Respekt für seine persönliche Entscheidung sein. Rezzo Schlauch hat bereits vor Beginn seiner politischen Karriere im Bundestag und in der Bundesregierung als Fachanwalt im Arbeitsrecht gearbeitet. Eine Fachanwaltskanzlei ist nicht immer parteipolitisch zuzuordnen.

Keine Partei kann ihren Mandatsträgern und Funktionären vorschreiben, was sie nach Ende ihrer politischen Karriere machen sollen bzw. nicht machen dürfen. Legitim ist aber die Erwartung, dass solche Entscheidungen in hoher Transparenz für die Öffentlichkeit zustande kommen. Das „Verhalten von Politikerinnen/Politiker, Ex-Politikerinnen und Ex-Politikern“ kann der Demokratie nur dann „einen erheblichen Schaden zufügen“, wenn die Öffentlichkeit über die Arbeitsweise und die Entscheidungsfindungsprozesse im Dunklen gelassen wird. Rezzo Schlauch hat seine Entscheidung, in den Beirat von EnBW zu gehen, öffentlich begründet. Er würde sich in diesem Beirat für eine moderne und nachhaltige Energiepolitik dieses Konzerns einsetzen, der in meisten Fällen bekanntlich eine alt-industrielle Politik betreibt. Diesen Politikansatz hat Rezzo Schlauch immer im Laufe seiner Politikertätigkeit verfolgt und dafür gestanden. Da kann man zwar geteilter Meinung sein, aber der Versuch, dies als „Belohnung“ für seine Amtszeit darzustellen, entbehrt jeglicher Grundlage und ist einfach absurd.

Tatsächlichen Regelungsbedarf gibt es natürlich in einigen Bereichen zwischen Politik und Wirtschaft, ebenso innerhalb der Wirtschaft selbst. Die Grünen verfolgen zum Beispiel seit langem die Idee, einen Wechsel aus den Vorständen der Unternehmen in deren Aufsichtsräte gesetzlich zu regeln oder die umfassende Offenlegung von Aufsichts- und Vorstandstätigkeiten von aktiven Politikern durchzusetzen. Eine bizarre Koalition im Bundestag schafft es immer wieder, diese vernünftigen Schritte zu blockieren, die zu mehr Transparenz und dadurch mehr Glaubwürdigkeit des politischen Betriebs beitragen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Ali Mahdjoubi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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