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Claudia Roth
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Frage von Holger K. •

Frage an Claudia Roth von Holger K. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Roth,

kennen Sie Beitrag v.25.04.12 – ZDFzoom Menschenhandel in Europa? Dulden Sie Ausbeutung von Frauen u. Mädchen durch Zuhälter u.a.? Durch die Legalisierung der Prostitution sind noch mehr Frauen und Mädchen zu Opfern geworden. Interessiert Sie nicht, dass die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft dadurch behindert wird – oder zum Scheitern verurteilt wird? Wissen Sie das lt. Bericht, daß das Finanzamt es nicht interessiert das Frauen unter Gewaltandrohung zur Prostitution gezwungen werden? Ist das richtig lt. ZDFzoom „20 – 70 Freier muß eine Prostituierte bedienen“? Der Zuhälter verdient 1000 € pro Tag, das Bordell kassiert 90 € pro Nacht das Finanzamt kassiert Pauschale von 30 € pro Nacht und pro Prostituierte.

Kennen Sie die durchschnittliche Lebensdauer von Zwangsprostituierten? Was sagen UN-Berichte dazu? 2-4 Jahre – richtig? Wie viele Frauen und Mädchen werden aus Osteuropa jedes Jahr in den Westen verschleppt oder gelockt? 500 – 800.000 p.a.? Aus ganz Europa kommen Freier, die es in der Regel nicht interessiert, ob die Frauen das freiwillig machen oder nicht Wie stehen Sie als Frau und BT-Abgeordnete dazu? In Nachbarländern ist Prostitution nicht legal. Zwangs-Prostituierte dürfen nach Befreiung im Land bleiben, und werden nicht, wie in der BRD zurück in die Hände der örtlichen Zuhälter geschickt. Warum praktiziert die BRD diese Unrecht immer noch – d.h. lässt nicht die befreiten Frauen und Mädchen in der BRD? Welche normale und gesunde Frau / Mädchen wird schon Prostituierte, Hobby- oder Hausfrauen-Hure? Sind das nicht die wirtschaftlichen Zwänge durch die Hartz-Gesetze, die zu viele Frauen, Mütter, … dazu zwingen? Wird es nicht Zeit diesen Fehler der Legalisierung der Prostitution zu korrigieren, um den Frauen, Mädchen, Polizei und Staatsanwaltschaft zu helfen? Wie sehen sie die Möglichkeit über alle Parteigrenzen die Frauen und Männer dazu zu bewegen, oder finden Sie die aktuellen Zustände in Ordnung?

MfGH. Klekar

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Sehr geehrter Herr Klekar,

aus der Menge Ihrer Fragen wird nicht klar, was Sie eigentlich kritisieren: Den Menschenhandel und sexuellen Missbrauch von Frauen in Europa oder nur das sogenannte Prostitutionsgesetz in Deutschland. So werden Themen miteinander vermischt, die getrennt betrachtet und kommentiert werden sollten.
Zuallererst ist ganz klar zwischen Prostitution und Zwangsprostitution zu unterscheiden. Wir haben uns vor 10 Jahren für ein Prostitutionsgesetz stark gemacht, weil wir davon überzeugt waren, dass Prostitution, die sich stark von anderen Berufen unterscheidet, nur unter rechtsstaatlichen und menschenwürdigen Bedingungen ausgeübt werden kann. Das Gesetz war ein erster Schritt, um die rechtliche und soziale Situation der Prostituierten zu stärken. In vielen Bereichen konnte das Gesetz jedoch seine Wirkung nicht entfalten, weil viele Landesregierungen, Kommunen und Behörden es nicht oder nur unzureichend umsetzen. Der Widerstand ist meistens ideologisch und politisch motiviert. Das Gesetz braucht Nachbesserungen wie etwa Klarstellungen beim Gewerbe- und Baurecht oder bei der Sperrbezirksverordnung. Der Unwille der Exekutive vor Ort erschwert die erforderlichen Nachbesserungen. Wir wollen die Rechte von Prostituierten stärken sowie Beratungs- und Ausstiegsangebote qualitativ und quantitativ ausbauen. Unbestritten ist, dass das Gesetz eine Entkriminalisierung und ein gesellschaftliches Umdenken bewirkt hat. Die Kritiker des Gesetzes haben es bis heute nicht belegen können, dass das Prostitutionsgesetz den Menschenhandel verstärkt hätte. Umso wichtiger und glaubwürdiger wäre, ausgerechnet Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, insbesondere während laufender Gerichtsverfahren vor Abschiebungen zu schützen. Hier hört man von den Kritikern des „Prostitutionsgesetzes“ nichts mehr. Denn ein Bleiberecht würde die Anzeige- und Aussagebereitschaft vieler Opfer von Menschenhandel deutlich erhöhen und so zur Ermittlung der Täter und Erhellung der Strukturen führen. Repressionen und Kriminalisierung von Prostituierten sind deshalb fehl am Platz und werden von uns klar abgelehnt.
Unsere Fraktion im Bundestag ist am Thema dran und plant, Verbesserungsvorschläge zum Gesetz einzubringen. Die von Ihnen ins Spiel gebrachte Zahlen können wir nicht beurteilen. Fakt ist, dass leider kaum valide Zahlen sowohl zur Zwangs- als auch zur Prostitution generell vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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