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Claudia Roth
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Frage von Michael D. •

Frage an Claudia Roth von Michael D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Roth,

unter der Überschrift "Keine Panzer für Diktatoren" ( http://meinekampagne.gruene.de/keine-panzer-fuer-diktatoren-start ) wehren Sie sich gegen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien.

Während Ihrer Regierungszeit haben Sie jedoch selbst Waffenlieferungen an genau dieses Land genehmigt. Darunter Maschinenpistolen und Panzerfäuste.
(Quellen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,773228,00.html ).

Aus welchen Gründen haben Sie (die GRÜNEN) damals Waffenlieferungen an diese "Diktatur" genehmigt (mitgenehmigt)?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Danner,

es gibt sehr viele und sehr gute Gründe, warum die Grünen gegen die Panzerlieferung an Saudi-Arabien sind und sich für eine Rücknahme der bekannt gewordenen Entscheidung im Bundessicherheitsrat stark machen. Nichts an diesen Gründen wird falsch oder untragbar, weil es auch zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung Waffenexporte gegeben hat. Die Argumentation, es habe zur Zeit von rot-grün Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gegeben, also können wir heute die besagten Panzer an diese Despotie liefern, ist neben dem offensichtlichen Ablenkungsmanöver auch inhaltlich nicht begründet. Außerdem ist es politisch eine schwarz-gelbe Bankrotterklärung, die Legitimierung der eigenen Entscheidungen im Handeln der vergangenen Bundesregierungen zu suchen.

Sicherlich konnten sich die Grünen in der rot-grünen Regierungskoalition nicht immer und nicht auf der ganzen Linie gegen die SPD von Schröder und Clements durchsetzen. Rüstungsexporte waren immer wieder ein heikles bis explosives Streitthema in der damaligen Koalition. Niemand kann aber bestreiten, dass die Grünen nicht vehement versucht hätten, solche Geschäfte zu verhindern oder zumindest deren Umfang zu reduzieren. Im berühmten Falle der Panzerlieferung an die Türkei stand die Koalition kurz vor dem Bruch. Diese Koalitionskrise hat aber dazu geführt, dass die SPD bereit war, einer Überarbeitung der bis dahin menschenrechtspolitisch blinden Rüstungsexportrichtlinien zuzustimmen. Die Forderung der Grünen, die Geheimhaltung der Entscheidungen des geheim tagenden Bundessicherheitsrats zu beenden oder Rüstungsexporte generell unter eine parlamentarische Kontrolle zu stellen, konnten nicht durchgesetzt werden. Dass man damals eine Opposition aus CDU und FDP hatte, die blind und eindeutig die Interessen der Rüstungslobby und der Rüstungsindustrie verteidigt und vertreten haben, erschwerte die Durchsetzung der grünen Positionen insgesamt. Insbesondere nach dem 11. September kam die Pauschalbegründung "Verbündeter bei der Terrorismusbekämpfung" in die „Mode“. Den Kleinwaffenexporten nach Saudi-Arabien widersprachen die Grünen öffentlich und besonders deutlich.

Trotz nicht vorhandener Beteiligungsrechte des Parlaments konnten die Grünen einige problematische Exporte durch öffentliche Ansage und Kritik verhindern bzw. aufhalten: neben etlichen Lieferungen von Panzern, von „Fuchs“ und „Dingos“ und U-Booten ist besonders der Streit mit Kanzler Schröder erwähnenswert, der sich für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China einsetzte und die MOX-Brennelemente-Fabrik Hauau nach China exportieren wollte. Es kam wieder zu einer massiven Koalitionskrise, an deren Ende sich die Grünen gemeinsam mit vernünftigen in der SPD durchsetzen konnten.

Wir werben weiterhin für die Aufhebung der Geheimhaltung bei Rüstungsgeschäften und für die Offenlegung der Entscheidungen im Bundessicherheitsrat, damit die Öffentlichkeit und die Menschen hierzulande genau erfahren können, wer im Bundessicherheitsrat wofür und wer wogegen gestimmt hat. Diese Transparenz ist das Mindeste, was die Öffentlichkeit in einer Demokratie zu Recht erwarten darf.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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