Frage an Claudia Roth von Dietmar S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrtes Bundestagsteam von Frau Claudia Roth,
in ihrer Antwort vom 17.01.2011 gehen sie leider nicht auf meine eigentlich eindeutige und direkte Fragestellung ein.
Zur Erinnerung: Sie lautete "Was unternehmen Sie persönlich und ganz konkret in der nächsten Zeit als Abgeordnete, um dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken?"
Anstatt dessen ergeht ihre Antwort in der üblichen verallgemeinernden "Wir fordern-Die Politik soll-Rhetorik" ohne konkrete Ich-Botschaft. Das kenne ich von den sattsam bekannten leidlichen TV-Debattierclubs à la Will, Maischberger etc. leider schon zur Genüge.
Ich denke, daß dies verstecken hinter dem "Wir" (wer ist das denn überhaupt konkret), hinter Formeln "Die Politik muß..", hinter Politikfeldern und Parteiprogrammen trägt nur zu weiterer Politikverdrossenheit bei.
Ist es wirklich so schwer, persönlich zu bekennen, wofür man als vom Volk gewählte Abgeordnete konkret einsteht?
Mir war es sehr wichtig, eine Antwort auf die spannende Frage zu erhalten, ob und wie Frau Roth auf diese in der Studie geschilderte Entwicklung reagiert. Es ist auffallend, dass sich keiner der Politiker und Politikerinnen, die ich angeschrieben habe und die sich sonst bei jedem Sack Reis, der in China umfällt, vor die Mikrophone drängen, sich bislang zu Heitmeyers Studien konkret und persönlich äußern wollte. Die Entwicklungen, die vordergründig "nur" die drei Ideale der Französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) in Frage stellen, sind de facto eine ernste Bedrohung für die Demokratie.
Ich habe Verständnis dafür, daß Frau Roth als vielbeschäftigte Abgeordnete sicher nicht auf jede der vielen Fragen persönlich antworten kann und das durch ein für den Bürger anonymes Team erledigen läßt.
Kann ich evtl. in dieser doch für die Zukunft unseres Landes essentielen Problemstellung doch noch hoffen, eine konkretere Antwort darüber zu erhalten, was Frau Roth ganz persönlich und konkret in der nächsten Zeit zu diesem essentiellen Thema zu tun gedenkt?
Ein weiterhin besorgter D. Schmutzer
Sehr geehrter Herr Schmutzer,
auf den eigentlichen Inhalt Ihrer Frage, was gegen Ressentiments und Vorurteile getan würde bzw. getan werden müsste, sind wir in unserer ersten Antwort deutlich und ausführlich eingegangen.
Bei allem Respekt für Ihre Meinung, wie die Abgeordneten arbeiten und wie ihre Antworten gestaltet sein sollten, bleiben wir bei unserem Standpunkt, dass auch die Arbeit der Abgeordneten eine Teamarbeit und folgerichtig als solche zu vermitteln ist. Die gemeinsam geleistete Arbeit im Büro der Abgeordneten verdient deshalb Respekt. Das Mitarbeiterteam der Abgeordneten ist nicht anonym. Es ist nicht fair, die Arbeit von Abgeordnetenmitarbeitern mit derlei Äußerungen zu entwerten. Die Mitarbeiter arbeiten höchst transparent und sind immer erreich- und ansprechbar. Wichtig aus unserer Sicht ist hierbei die politische Verantwortung für die abgegebenen Stellungnahmen. Sie liegt klar bei den Abgeordneten. Mit dem „umfallenden Reissack in China“ greifen Sie zu Vereinfachungen und polemischen Mitteln, die Sie aber Politikern unterstellen!
Nun noch mal zum Thema Gesellschaftspolitik: Sie ist in einer Demokratie nicht mechanistisch zu verstehen ebenso nicht mechanistisch machbar. Gesellschaftspolitik ist bildlich gesprochen keine einfache Baustelle, wo das Mauerwerk jedem sichtbar Ziegelstein für Ziegelstein hochgezogen wird.
Unsere Vorstellung von der „Baustelle“ Gesellschaftspolitik ist nicht mechanistisch. Um in diesem Bereich Erfolge zu verzeichnen, sollte das hochkomplexe Ineinandergreifen von vielen Teilbereichen systematisch und logisch zusammengedacht werden. Dazu gehört eine Sozialpolitik, die Gerechtigkeit in ihren vielen Variationen wie Lohngerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Bildungsgerechtigkeit gewährleisten muss. Dazu gehört eine nachhaltige Finanz- und eine gerechte Steuerpolitik. Dazu gehört der Ausbau des solidarischen Gesundheitssystems und nicht dessen Abbau oder Einführung von Regeln, die zu mehr Entsolidarisierung führen. Dazu gehört ein gerechtes und nicht von der Herkunft der Menschen abhängiges Bildungssystem, das auch in der Lage ist, den Menschen die Werte der Verfassung und der Demokratie ebenso beizubringen wie das Wissen für eine Gesellschaft der Zukunft. Diese Liste ist sicherlich viel länger. Die Abgeordneten des Bundestages können all diese Themen nur in Team- und Gemeinschaftsarbeit angehen. Dafür gibt es abgesehen von den Fachausschüssen des Bundestages Arbeitskreise und Arbeitsgruppen der Fraktionen. Die Suche nach Antworten auf dringende Gegenwarts- wie Zukunftsfragen kann so besser koordiniert und zielführend vorangetrieben werden.
Die konkrete parlamentarische Arbeit der Abgeordneten Claudia Roth wird im „Ausschuss für Kultur und Medien“ und im „Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ geleistet. In diesen Gremien werden viele Gesetze und Gesetzesinitiativen im Bereich Kultur und Medien beraten und beschlossen, aber genauso wichtig sind notwendige Beratungen in Bezug auf andere gesetzgeberische Initiativen der übrigen Parlamentsgremien. Dort werden auch Entscheidungen getroffen, die Themen wie Demokratiebildung, Weiterentwicklung der Aufklärungstradition, Stärkung der kulturellen Bildung und Erweiterung von Medienkompetenzen im Blick haben.
Die in diesen Parlamentsgremien zu leistende Arbeit ist der ganz konkrete Beitrag einer Abgeordneten, die mit eigenen Initiativen oder mit der Mitarbeit an Initiativen der anderen und in enger Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren Antworten auf die in der Studie von Prof. Dr. Heitmeyer aufgeworfenen Fragen und ausformulierten Herausforderungen erarbeiten möchte. Selbstverständlich lässt sich das politische und gesellschaftliche Engagement nicht nur auf die parlamentarische Arbeit beschränken. Das ist aber im Forum namens „Abgeordnetenwatch“ mit dem Fokus auf parlamentarische Aktivitäten nicht der geeignete Ort, um ausgeführt zu werden.
Mit freundlichen Grüßen
Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro