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Claudia Roth
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Frage von Ulrich F. •

Frage an Claudia Roth von Ulrich F. bezüglich Umwelt

Sehr verehrte Frau Roth,
was sagen Sie eigentlich zu dem kürzlich in der Hannoverschen Allgemeine Zeitung (HAZ)erschienenen Artikel "Der neue Sprit, ein grünes Kuckucksei" ?

Dort kann man u.a. lesen:
> Die Gesamtökobilanz falle schlechter als die für normalen Kraftstoff aus ...
> Für die Produktion von Ethanol, das aus Weizen, Roggen und Zuckerrüben gewonnen werde, werde wertvolles Ackerland umgewandelt ...
> Zudem sei der Energieaufwand zur Herstellung von E10 sehr hoch und der intensive Anbau von Energiepflanzen für Ethanol und Agrardiesel lasse sich nur mit viel Dünger bewerkstelligen, dessen Stickstoffanteil klimaschädliches Lachgas in die Atmosphäre bringe...

Meine Frage: Halten sich die Grünen für Umweltbelange eigentlich noch für zuständig ?
Ich vermisse jedenfalls ihren (und Ihren) lauten Protest gegen diesen groben Unfug.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Frase,

es ist erfreulich, dass dieses Thema und generell Themen wie künftige Energieversorgung oder Ökobilanz von Produkten und Anlagen auch von Massenmedien besprochen und so einem größeren Publikum näher gebracht werden. Über die Ökobilanz von Biokraftstoffen wird seit über 5 Jahren nicht nur in Fachkreisen sondern auch im Europaparlament oder in einigen Nationalparlamenten der EU-Länder kontrovers diskutiert. Hierbei sind die grünen Fraktionen in jeweiligen Gremien und grüne Politikerinnen und Politiker stark engagiert. Die Grünen im Europaparlament haben ihre Bedenken hinsichtlich der EU-Richtlinie zur Erhöhung der Beimischung des Ethanolanteils in Ottokraftstoffen seinerzeit klar formuliert und Alternativkonzepte vorgelegt. Die Mehrheiten in den entscheidenden Gremien der EU haben aber diese nun in der Kritik stehenden Richtlinien beschlossen.
Wir teilen das erklärte Ziel der Europäischen Union, mit neuen Biotreibstoffen einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. Ebenso unstrittig ist die energiepolitische Zielsetzung „Weg vom Erdöl“. Die Zielvorstellung „Weg vom Öl“ kann aber dann realisiert werden, wenn gleichzeitig weiterführende Strategien und Konzepte auf nationaler wie auf europäischer Ebene erarbeitet werden.
Klar ist: Der Anbau von Biomasse zur Energiegewinnung hat nur dann positive Effekte, wenn er umwelt- und sozialverträglich ausgestaltet wird. Wenn Urwaldflächen für Bioenergien abgeholzt oder wenn Menschen vertrieben werden, ist das kein Beitrag zur Lösung von globalen Problemen, sondern eine Verschärfung dieser Probleme. Bioenergien können aber nicht für alle Fehlentwicklungen im Naturschutz und der Agrarwirtschaft verantwortlich gemacht werden. In Brasilien sind zum Beispiel nicht die Rodungen für die Gewinnung von Biokraftstoffen das entscheidende Problem, sondern der steigende Flächenbedarf für die Fleischproduktion und den Sojaanbau.

Solange ökologische und soziale Belange aus wirtschaftlichen Interessen nachrangig behandelt werden, wird das Spannungsverhältnis zwischen Klima- und Umweltschutz auf der einen Seite und Ernährungssicherheit auf der anderen weiter bestehen. Um den weltweiten Temperaturanstieg bis spätestens 2050 auf zwei Grad Celsius begrenzen zu können, müssen wir aber unser Wirtschaften auf Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit ausrichten. Hierfür braucht es aus unserer Sicht unter anderem folgende Maßnahmen:

Wir brauchen bei diesem Thema eine international anerkannte Zertifizierung mit verbindlichen ökologischen und sozialen Standards. Wir setzen uns für die umfassende Transparenz und eine Verschärfung der Kriterien bei Bioenergien auf nationaler und europäischer Ebene. Den Import von Biotreibstoffen, deren Produktion mit dem Raubbau am Regenwald einhergeht, lehnen wir entschieden ab, ebenso die Produktion von Futtermitteln auf diesen Flächen.

Darüber hinaus braucht es einen effizienteren Nutzen von Bioenergien. Durch den Einsatz von Biogas könnte die Fahrleistung von Autos im Vergleich zu Biodiesel oder Bioethanol deutlich erhöht werden. Außerdem wollen wir verstärkt Abfall- und Reststoffe aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie anstelle von Agrarprodukten nutzen. Wir setzen dabei auf neue Technologien wie die Bioraffinerie. Bioraffinerien machen nicht nur den bisherigen Herstellungsweg von Bioethanol über Rüben oder Getreide überflüssig, sie produzieren außerdem Rohstoffe für die Chemie- und Kunststoffindustrie. So erschließt sich ein bislang ungenutztes Rohstoffpotenzial.

Neben dem effizienteren Einsatz von Bioenergien müssen wir auch den Spritverbrauch insgesamt deutlich reduzieren. Angefangen bei der Elektrifizierung des Antriebsstrangs über Leichtbau, Downsizing der Motoren bis zu Leichtlaufreifen können größere Potentiale zur Senkung der Treibhausgase ausgeschöpft werden, als durch die Beimischung von Biokraftstoffen. Die Erhöhung der Beimischungspflicht sehen wir daher kritisch. Dies gilt zumal, da der Beimischungszwang die mittelständischen Pflanzenölerzeuger in Deutschland als Lieferanten ausgebootet. Anstelle deutscher Pflanzenölmühlen profitieren große Mineralölkonzerne, die nun den billigsten Kraftstoff z. B. aus Brasilien importieren.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf der Internetseite der grünen Bundestagsfraktion http://www.gruene-bundestag.de .

Mit freundlichen Grüßen

Das Bundestagsteam von Claudia Roth MdB

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