Frage an Claudia Roth von Stefan M. bezüglich Recht
Sehr geehrte Fraut Roth,
es tut mir leid, dass ich nun ein heikles Thema Ihrer Politik anspreche, da ich sie grundsätzlich für eine gute Politikerin halte.
Ein Thema, das in Ihrer Politik für mich (und auch viele andere) immer wieder auf Unverständnis stößt, ist Ihre Haltung gegenüber sogenannten "weichen Drogen".
Sind sie sich dessen bewusst, dass der Wirkstoffgehalt in den letzten Jahrzehnten so drastisch gestiegen ist, dass die Langzeitschädigung als weitgehend unabsehbar gilt?
Zudem, was Sie mit Sicherheit nicht abstreiten werden, erschwert es ungemein die strafrechtliche Verfolgung von kriminellen "Drogen-Banden".
Das Argument, es gebe jene Vereinigungen nicht mehr, lässt sich leicht am Beispiel von Amsterdam wiederlegen.
In der Welt, in der Sie etwas verändern wollen, darf leider nie auch der wirtschaftliche Aspekt aus den Augen gelassen werden, denn ansonsten fehlen einem am Schluss tatsächlich die Mittel, um eine sozial gerechtere Politik durchzusetzen. ,
Drogen (auch Legale) sind häufig ein Mittel dazu, um sich von Gesellschaft und Arbeitsalltag zu distanzieren. Ich bin mir nicht sicher, ob sich durch staatliche Gewinnbeteiligung die (schwer abschätzbare) mögliche Veränderung am Arbeitsmarkt ausgleichen lässt.
Die Entkriminalisierung ist für mich ein Thema, das zwar grunsätzlich verständlich ist, dennoch hege ich Zweifel an der Durchführbarkeit. Ich kann mir einfach kein schlüssiges Konzept erdenken, wie man mit vergangenen Straftaten umgehen soll und wie es nach einer Legalisierung leichter werden sollte, tatsächliche "Dealer" von Gelegenheitskonsumenten zu unterscheiden.
Selbst wenn dies keines Ihrer politischen Hauptanliegen sein mag, so würde mich Ihre persönliche Meinung zu diesem Thema doch wirklich interessieren.
Ich habe mich vor dem schreiben dieser Fragen eingehend damit beschäftigt, ähnliche Themen ausfindig zu machen ,war jedoch nicht fündig geworden.
mit freundlichen Grüßen
Stefan aus München
Sehr geehrter Herr Mansenrieder,
um Ihre Fragen zu begründen, fällen Sie viele Urteile und wagen Bewertungen, die mit der Realität unserer „Drogenpolitik“ nichts zu tun haben. In der Gesellschaftspolitik geht es um glaubwürdige Lösungen, die die Realitäten nicht einfach wegdenken und eine neue künstliche Welt erfinden, in der alles perfekt und nach dem Willen des Gesetzgebers funktioniert.
Wer abhängig ist, kann nicht mehr selbstbestimmt über seinen Konsum entscheiden. Wir wollen Menschen in ihrem Willen zur Drogenfreiheit stärken. Die Menschen aber, die Drogen gebrauchen wollen, möchten wir zu einem gesundheitlich unbedenklichen oder risikoarmen Gebrauch von Drogen und stoffungebundenen Suchtmitteln wie Glücksspiel befähigen und so mögliche gesundheitliche Schädigungen wie Abhängigkeit und andere Erkrankungen vermeiden. Wir wissen um die Vielzahl von persönlichen Motiven, die zum Konsum von Drogen führen. Wir fällen keine moralischen Urteile über den Gebrauch von Drogen und wollen Drogen weder verteufeln noch verharmlosen. Wir wollen Menschen helfen, die nicht mehr frei und selbstverantwortlich über ihren Konsum entscheiden können. Wir wollen Selbstverantwortung ermöglichen und so Abhängigkeit und Fremdbestimmung verhindern. Darum geht es uns in der Drogenpolitik. Die Politik der Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten führt in die Sackgasse. Schwerstabhängige brauchen Hilfe, keine Strafverfolgung. Der Übergang der Zuständigkeit für Drogenpolitik vom Innenministerium zum Gesundheitsministerium, den wir unser rot-grün eingeleitet haben, war deshalb wichtig und richtig.
Der Konsum psychoaktiver Substanzen war und ist seit jeher Bestandteil menschlicher Kulturen. Das Bedürfnis nach Rausch und der Gebrauch von Suchtmitteln gehören unabhängig von den vielfach vorhandenen gesundheitlichen Risiken ganz offensichtlich zum Spektrum menschlichen Verhaltens – auch oder gerade wegen der individuellen Gratwanderung, die der Konsum darstellen kann. Auch künftig ist daher eine Welt ohne den Konsum psychoaktiver Substanzen nicht zu erwarten. Gleichwohl sind wir uns bewusst, dass der Gebrauch von Drogen nicht ausschließlich als Ausdruck selbstbestimmter Lebensweise angesehen wird. Vielmehr ist eine drogenkritische Distanz besonders dort angebracht, wo durch riskanten Konsum und drohende Abhängigkeit Freiheit und Selbstbestimmung der betroffenen Menschen in Gefahr geraten. Die grüne Drogenbeauftragte Christa Nickels leitete in ihrer Amtszeit von 1998 bis 2001 einen wichtigen Paradigmenwechsel ein. Drogenpolitik setzt nunmehr nicht mehr ausschließlich auf Repression und die Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten illegaler Drogen. Durch den Übergang der Zuständigkeit vom Innen- auf das Gesundheitsressort ist die Bedeutung einer gesundheitspolitischen Perspektive gewachsen. Der Stellenwert der gesundheitlichen Prävention ist deutlich gestiegen, die gesundheitlichen Risiken legaler Drogen wie Alkohol, Tabak oder bestimmter Medikamente sind stärker in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Der 2003 verabschiedete Aktionsplan Drogen und Sucht schreibt diesen Politikwechsel zumindest im Ansatz fort. Seitdem ist jedoch der Wechsel hin zu einer am Menschen und der konkreten Lebenswirklichkeit orientierten Suchtpolitik steckengeblieben. Noch immer werden viele Drogenkonsumentinnen und -konsumenten kriminalisiert. So blockiert die Union beispielsweise sinnvolle Ansätze in der Therapie Schwerstabhängiger, und in der Cannabispolitik herrscht bis weit in die Reihen der Sozialdemokratie ideologische Erstarrung. Kurzum: Das Betäubungsmittelrecht wird nach wie vor als scharfes Schwert der Drogenpolitik eingesetzt. Auch bei der gezielten Prävention von Abhängigkeit und riskanten Konsumformen ist dagegen wenig Fortschritt zu erkennen. Dem Problem der Medikamentenabhängigkeit wurde seitens der Koalition bislang unzureichend begegnet, bei Spielautomaten hat sie das Suchtpotenzial der Geräte sogar noch vergrößert und in der Alkoholpolitik bremst sie auf europäischer Ebene wirksamere Maßnahmen zur Alkoholprävention wie effektivere Werbebeschränkungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen aus. Lediglich beim Schutz vor Passivrauchen konnten sich Union und SPD auf Bundesebene zu Regelungen für öffentliche Einrichtungen und Verkehrsmittel durchringen. Grüne Vorschläge zum konsequenten Schutz aller ArbeitnehmerInnen, auch derjenigen auf Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr, lehnte sie jedoch ab.
So sehen Sie auch, dass Ihre Annahme keine Rolle bei unseren drogenpolitischen Überlegungen spielt, der Staat solle mit der „Legalisierung“ von weichen Drogen und dadurch erzielten Einnahmen seinen Haushalt sanieren.
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth