Frage an Claudia Roth von herbert w. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
sehr geehrte frau roth!
donnernder applaus gefolgt von stehenden ovationen, so huldigt oft auf den parteitagen die gefolgschaft ihren führern.
der bürger aber betrachtet dieses geschehen mit gesunder skepsis, denn auf ihn prasseln mitunter meldungen über verfehlungen u. gesetzesverstöße wie hagelkörner nieder, nicht nur von den herren in nadelstreifen, nein noch viel schlimmer aus den reihen ihrer vertreter. wohlklingende prädikate wie sozial, christlich u. demokratisch vermögen wohl korruptive umtriebe in d. verschwiegenheit nicht verhindern zu können, die raus aus d. schatten ans licht d. öfffentlichkeit gehören, wo sie auf allgemeine ächtung stoßen sollten.
die wirtschaftliche u. politische klasse hat ihr spielfeld vergrößert, aber der schiedsrichter fehlt. auswüchse u. defizite lassen d. glaubwürdigkeitslücke stetig größer werden u. führen zum oft zitierten politiker-verdruß. die auswahl d. richter im BVG geschieht durch die parteien n. einem bestimmten modus, was zweifelsohne nicht demokratisch ist. im parlament wirken zahlreiche juristen; wo sind denn die opponenten unter ihnen?
schon r.v. weizäcker beklagte einst die "machtversessenheit d. parteien" . unter anderem zeigt sich diese auch in d. einflußnahme i. hohe gerichte, ämter u. rundfunkanstalten.
im "konvent f. deutschland" sorgen sich neben roman herzog mehrere persönlichkeiten mit hoher reputation um die zukunftsfähigkeit unseres landes.
wenn aufrichtige abgeordnete, journalisten, verfassungsrechtler, juristen u.a.m. diese übel erkannt u. kritisiert haben, sollten unsere entscheidungsträger endlich veränderungskonzepte entwickeln, denn die bürger wünschen sich einen sauberen staat, in dem das moralische straucheln die ausnahme ist.
sehr geehrte fr. roth, werden sie und ihre partei diesen unliebsamen erscheinungen wie parteienpatronage, nepotismus, ausufernde bürokratie u. korruption wirksame maßnahmen entgegensetzen?
Sehr geehrter Herr Wilhelm,
ihre Frage können wir kurz und knapp auch mit einem einfachen Ja beantworten, aber damit würden wir der Bedeutung des Themas Politikverdrossenheit nicht gerecht werden. Denn Politikverdrossenheit ist eine für unsere Demokratie mitentscheidende Frage. Mit unserem Grundsatzprogramm und aktuell mit unserem Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl setzen wir uns für eine Politik ein, die die von Ihnen angesprochenen Probleme effektiv minimalisieren kann. Politik hinter verschlossenen Türen, Scheindebatten und schmutzige Intrigen – das ist es, was Verdruss bereitet und der Demokratie den Boden entzieht. Damit wird der Ruf nach dem „Starken Mann“ wieder salonfähig, dessen Befehl an die Stelle von Debatte und Überzeugungsarbeit treten soll. Dass sie ein solches Denken befördert, darin liegt die größte Gefahr, die von der grassierenden Politikverdrossenheit ausgeht. Viel wäre gewonnen, wenn wir statt Scheindebatten und Ränkespielen wieder mehr wirkliche Debatten hätten, mit dem Ziel tragfähiger und fairer Lösungen, Debatten, in denen auch die Lust an der demokratischen Kontroverse ihren Platz hat. Denn Politik kann kreativ, witzig und geistreich sein – auch wenn das unter der Käseglocke der gegenwärtigen Großen Koalition fast schon vergessen worden ist. Für uns ist es wichtig, dass demokratische Politik Alternativen formulieren muss, nicht bloßen Gleichklang. Sie fängt damit an, dass sie unterschiedliche Ansprüche formuliert – und diese Ansprüche dann kontrovers debattiert. Die kontroverse Debatte findet, wenn überhaupt, nur noch im Hinterzimmer statt. Die Große Koalition hat das auf die Spitze getrieben. Ihre Mehrheit ist so erdrückend, dass Politik am Parlament vorbei gemacht wird. Die Föderalismusreform zum Beispiel, die Deutschland in wichtigen Bereichen wie Bildung und Umwelt in die Kleinstaaterei zurückgeführt hat, wurde just zu dem Zeitpunkt durch die Parlamentsgremien gebracht, an dem das Interesse der Öffentlichkeit von der Fußballweltmeisterschaft abgelenkt war. Eine solche Terminierung mag machttaktisch pfiffig sein, gut für die Demokratie ist sie nicht.
Zum Thema Korruptionsbekämpfung empfehlen wir Ihnen die Lektüre
folgender Beiträge:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/rechtspolitik/dok/201/201762.gruene_gegen_abgeordnetenbestechung.html
oder
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/097/1609780.pdf
http://www.gruene-bundestag.de/cms/bundestagsreden/dok/276/276092.korruptionsregister.html
Mit freundlichen Grüßen
Das Büro-Team von Claudia Roth