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Claudia Roth
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Frage von Michael D. •

Frage an Claudia Roth von Michael D. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Roth,

Daniel Tammet, ein bekanntes Mathematik- und Sprachgenie mit leichter autistischer Behinderung (er erlernt eine beliebige Fremdsprache in nur einer Woche, so dass er an Talkshows teilnehmen kann) schreibt in seinem Buch "Wolkenspringer" (Kapitel 9, Seite 277):

"Einer der wichtigsten Gründe, weshalb Menschen einer minderwertigen Idee den Vorzug vor einer besseren geben, ist eine angeborene Vorliebe für das, was einfach ist. Angesichts der Entscheidung zwischen einer Idee, die einfach zu beschreiben und zu verstehen ist, und einer, die komplizierter und schwerer zu begreifen ist, neigen die meisten Menschen spontan zu der einfachereren Option, unabhängig von dem relativen Wert der Ideen".

Unter diesem Gesichtspunkt:

a) Warum priorisieren die GRÜNEN die "minderwertige" Idee der Waffenrechtsverschärfung und sonst hört, sieht und liest man nichts von Ihnen?

b) Welche konkreten Maßnahmen mit Nachhaltigkeitsfaktor haben die GRÜNEN ergriffen, um solche Taten bereits im Ansatz zu verhindern. Insbesondere welche zusätzlichen finanziellen Mittel haben Sie wo genau in den letzten Monaten zur Verfügung gestellt? Insbesondere an den Orten, an denen Sie mitregieren oder den Bürgermeister stellen? Bitte mit nachvollziehbaren Quellenangaben. Oder wird dies wie nach Erfurt ablaufen? Damals hat Rot-Grün außer der Waffenrechtsverschärfung nichts auf den Weg gebracht.

c) Herr Tammet sagt auf Seite 9 in seinem Buch: "Ich zeige ... warum ein mangelhaftes Verständnis von Wahrscheinlichkeiten häufig schlechte Entscheidungen nach sich zieht". Nun meine Frage: Aus welchen Gründen räumen die GRÜNEN einem Waffenverbot eine höhere Priorität ein, als einer allgemeinen Helmpflicht, obgleich das Risiko auf dem Schulweg mit dem Fahrrad tödlich zu verunglücken um etliche Faktoren größer ist ( http://www.focus.de/magazin/archiv/unfaelle-schulweg-immer-gefaehrlicher_aid_143065.html )?

Vielen Dank für Ihre Antwort

Mit freundlichen Grüßen

Michael Danner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Danner,

wir Grüne sind bekannt dafür, nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und uns nicht mit einfachen Lösungen für komplexe Probleme zufrieden zu geben. Wir streiten für ein neues Waffenrecht, denn eine minderwertige und vor allem gefährliche Idee in der Debatte um Verhinderung von Amokläufen ist, am jetzigen Waffenrecht in Deutschland festzuhalten. Wir gehen in dieser Frage einen Weg, der insbesondere von der finanzstarken Waffenlobby und einzelnen Waffennarren vehement bekämpft wird. Es ist also nicht der Weg des geringsten Widerstandes, sondern der Weg, der nach langen kontroversen Debatten das Risiko von Amokläufen à la Winnenden minimieren kann.

Wie Sie wissen, sind die Grünen nicht an der jetzigen Bundesregierung beteiligt. Die in Bremen und Hamburg regierenden Landesparteien können keine Bundesgesetze verabschieden. Deshalb haben wir als Oppositionsfraktion einen eigenen Gesetzentwurf im Bundestag vorgelegt. Die Leitlinie unser Politik ist Regelungen zu schaffen, die ebenso notwendig wie angemessen sind, um Schulmassaker wie in Winnenden wenn irgend möglich zu verhindern. Mit dem neuen Gesetz der Bundesregierung wird der Zugriff eines labilen Jugendlichen auf die elterlichen Waffen nicht wirklich erschwert. Ein Blick auf die gesamten Neuregelungen zeigt, dass sie dem Anspruch, mehr Sicherheit für die Menschen zu schaffen, nicht gerecht werden. Hier ist nicht die Rede von Banküberfällen mit illegalen Waffen. Hier geht es ganz konkret darum, wie wir verhindern können, dass in Deutschland erneut eine Schulklasse in wenigen Minuten ausgelöscht wird - mit einer legalen Sportwaffe in Privatbesitz.
Die Verschärfungen des Waffenrechts nach dem Amoklauf von Erfurt waren nicht geeignet, Winnenden zu verhindern. Im Gegenteil: die Anzahl tödlicher Waffen in Privathaushalten ist sogar weiter gestiegen. Wir haben seit Erfurt nicht weniger tödliche Schusswaffen in Privathaushalten, sondern mehr. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat daher in ihrem Antrag "Abrüstung in Privatwohnungen - Maßnahmen gegen Waffenmissbauch" vom 25.03.2009 (Drucksache 16/12477) ihre Position in der Diskussion klargemacht. Dem wird die von der Bundesregierung am 18.06. durchgesetzte Änderung des Waffengesetzes nicht gerecht. Die Zahl dieser Waffen wird unter dieser neuen Regelung wie in der Vergangenheit ständig weiter wachsen. Wenn die schießsportlichen Disziplinen mit großen Kalibern nicht eingeschränkt werden, füllen sich die Waffenschränke immer weiter. So steigt auch die Gefahr, dass Waffen und Munition in die falschen Hände geraten, mit unabsehbaren Folgen.
Wir stehen mit unserer Kritik an den neuen Bestimmungen des Waffenrechts nicht allein. Nicht nur die Initiative der Angehörigen der in Winnenden erschossenen Kinder verlangt eine entschlossene Politik. Heftige Kritik kommt auch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, der zu Recht den Vorwurf der Symbolpolitik erhebt.

Die Notwendigkeit von Einschränkungen im Waffenrecht lässt sich nicht mit dem Hinweis auf fehlende Helmpflicht entbehrlich machen. Sicherlich ist es viel besser und sicherer, wenn alle Radfahrer einen Helm tragen würden. Tun sie das nicht, gefährden sie damit das eigene Leben, aber nicht das der anderen. Mit minderwertigen und falschen Vergleichen kann man nicht weiter kommen. Das sieht Daniel Tammet sicher auch so.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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