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Claudia Roth
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Frage von Olaf H. •

Frage an Claudia Roth von Olaf H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Roth

am 17.06. habe ich im Radio gehört wie Sie zur Solidarität mit der iranischen Opposition aufgerufen haben.
Wie kommen Sie zu der Annahme, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gab? Wenn Ihre Informationen aus den Medien stammen, wie schätzen Sie deren Wahrheitsgehalt ein, wenn diese die Äußerungen des Präsidenten diffamieren bzw. falsch übersetzen
http://www.netzeitung.de/politik/ausland/377946.html?Iran_droht_Atom-Behoerde_mit_Ausweisung , http://www.tlaxcala.es/pp.asp?reference=5705&lg=de

Wie schätzen Sie den Einfluss der Geheimdienste auf die derzeitige Situation ein, wenn der CIA von Präsident Bush mit einem Budget von 400 Mio. $ damit beauftragt wurde den Iran von Innen zu destabilisieren?
http://www.taz.de/1/politik/amerika/artikel/1/das-schlachtfeld-wird-vorbereitet/

Halten Sie es für möglich, dass der CIA bzw. die US-Regierung diesen „Aufstand“ finanziell, medial, organisatorisch als auch politisch unterstützen, um eine Farbrevolution los zu treten (Stichwort: Agent Provokateur http://de.wikipedia.org/wiki/Agent_Provokateur )
http://www.reuters.com/article/gc08/idUSTRE55N27920090624 ?

Ist bei einem Scheitern des von der westlichen Welt solidarisierten Aufstands, ein Krieg zur Absetzung der derzeitigen Regierung unausweichlich?

Warum haben Sie bei den Unregelmäßigkeiten der Präsidentenwahl von George W. Bush, dem israelischen Angriff auf die palästinensische Bevölkerung in Gaza oder für die seit 2 Monaten kämpfende Opposition in Georgien nicht zu Protesten oder zur Solidarität aufgerufen?
http://www.reuters.com/article/worldNews/idUSTRE55E38Y20090615?pageNumber=1&virtualBrandChannel=0

Sind es zweierlei Maß mit denen hier gemessen wird?

Ist die westliche Auffassung von Demokratie, die, dass die Iren solange für den Vertrag von Lissabon abstimmen müssen, bis das Ergebnis den Regierungen passt?

Sollte der Iran auch solange abstimmen?

Wenn Sie sich durch Ihren Aufruf Wählerstimmen erhoffen, dann hoffe ich, dass diese etwas objektiver sind als Sie

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Höch,

unsere Solidarität mit der iranischen Bevölkerung ist menschlich und politisch begründet. Die Mehrheit der Iraner will einen offensichtlichen Wahlbetrug nicht hinnehmen. Es ist das gute Recht der Iranerinnen und Iraner, auf die Straße zu gehen, laut zu protestieren und eine Wiederholung der Wahlen mit mehr Transparenz und Kontrollmöglichkeiten der anderen Kandidaten zu fordern. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die friedlichen Protestierenden und die entfesselte Gewalt auf den Straßen sind inakzeptabel. Es ist unser gutes Recht, ja unsere Pflicht, uns mit den Menschen im Iran zu solidarisieren. Diese Solidarität ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran. Sie entspricht unserem Verständnis von der Universalität der Menschenrechte, unserem Verständnis von Selbstbestimmung und Demokratie, dass die Menschen im Iran gewaltfrei und mit friedlichen Mitteln die Zukunft ihres Landes mit gestalten sollen. Wir wollen uns nicht einmischen, weil wir bestimmen wollen, wer den Iran regiert. Wir wollen auch keine Politik des Regime-Change wie einst George W. Bush – aber wir müssen uns einmischen, und zwar massiv einmischen,

- wenn die Menschenrechte im Iran mit Füßen getreten werden,
- wenn in diesen Tagen Menschen verschleppt, eingekerkert, verletzt und getötet werden,
- wenn atomare Aufrüstung stattfindet,
- und wenn eine Protestbewegung gegen die fehlende Legitimität der
Wahlen im Iran friedlich protestiert. Und das werden wir weiterhin tun!

Zum Thema Wahlbetrug und Wahlanalysen verweisen wir Sie auf folgende
Quellen:

http://www.chathamhouse.org.uk/files/14234_iranelection0609.pdf

http://www.iranrepublic.org und dann die Rubrik: Analysis of the Results of the Presidential Elections of the 2005 and 2009 of the Islamic Republic of Iran

Außerdem haben wir volles Vertrauen zu den Personen, die im Iran, in der iranischen Zivilgesellschaft und auch außerhalb des Iran in der Exilopposition aktiv sind. Es ist eine Diffamierung von Millionen von Iranerinnen und Iranern, wenn ausländische Geheimdienste hinter diesen Protesten vermutet werden. Das ist eine Beleidigung der Bevölkerung im Iran, die ihren Selbstbestimmungsdrang und ihre demokratische Reife in Frage, stellt und sie entmündigt. Bei Unregelmäßigkeiten in anderen Ländern gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Die Iranerinnen und Iraner wollen eine transparente Wiederholung der Wahl. Jemand, der einen derart enormen Vorsprung zu haben meint, sollte keine Angst vor der Wiederholung haben, wenn er dem Land dienen will.

Für die Solidarität mit einer Protestbewegung sind für uns Inhalte, Forderungen und vor allem das Protestpotenzial vor Ort ausschlaggebend. Wir erfinden und organisieren keine Proteste im Ausland, sondern unterstützen die nach unserer Einschätzung demokratischen und legitimen Forderungen der Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

Das Büro-Team von Claudia Roth

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