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Frage von Thomas B. •

Frage an Claudia Roth von Thomas B. bezüglich Umwelt

Stichwort Biodiesel:
Warum haben die "Grünen" den Biodiesel in Europa so forciert, obwohl in Indonesien hierdurch die Existenzen vieler Bauern zerstört wird???

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Baldus,

keine Fraktion im Europaparlament hat sich mit dem Thema Bioenergie und Biodiesel derart ausführlich und differenziert auseinandergesetzt wie die Grünen. Wir sind der Ansicht, dass der Einsatz von Bioenergien bei Kraftstoffen, Strom und Wärme – richtig dosiert – ein unverzichtbarer Bestandteil einer ambitionierten Klimaschutzstrategie und einer nachhaltigen Entwicklung auch und gerade von ärmeren Ländern ist. Die Erschließung dieses Potenzials muss selbstverständlich unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien erfolgen. Für die nachhaltige Entwicklung der Bioenergien gilt es auf nationaler, europäischer und globaler Ebene die richtigen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu setzen.
Halten wir an der Nutzung der fossilen Brennstoffe fest, sind die ökologischen, aber auch sozialen Folgen verheerend. Effizienzmaßnahmen, Erneuerbare Energien, innovative Verkehrskonzepte und die immer interessanter werdende Elektromobilität haben Priorität beim Schutz des Klimas. Alle wissenschaftlichen Studien zeigen aber: um eine Nutzung der Biokraftstoffe kommen wir aber nicht drum herum – wenigstens als Übergangstechnologie. Dabei gilt immer: Die ökologische Bilanz der eingesetzten Bioenergien muss positiv sein.

Wir stehen bei der Nutzung der Bioenergien erst am Anfang. Jetzt gilt es die richtigen Weichen zu stellen, damit Fehlentwicklungen eingeschränkt werden. Wir sehen die Gefahr, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt und die Biomasseproduktion in vielen Fällen in eine Konkurrenz treten. Zwei Probleme sind dabei besonders dringend: Wenn Urwaldflächen für Bioenergien abgeholzt werden, vernichtet das nicht nur einzigartige Ökosysteme, es werden auch mehr Klimagase freigesetzt als durch die Bioenergien eingespart werden. Entwicklungen wie sie sich aktuell bei der Palmölproduktion in Indonesien abzeichnen, können deshalb nicht toleriert werden. Das andere große Konfliktthema – „Volle Tanks oder volle Teller“ – wird im Lauf der nächsten Jahre zunehmend relevanter. Momentan scheint es nur vorübergehend und örtlich begrenzt zu Flächenkonkurrenzen zwischen Bioenergien und dem Anbau von Nahrungsmitteln zu kommen. Da sich die Konkurrenz bei der Flächennutzung aber in den nächsten Jahrzehnten mit großer Wahrscheinlichkeit verstärken wird, gilt für uns schon jetzt ganz klar: FOOD FIRST. Die Erdbevölkerung wächst rasant weiter, zudem soll sich der sehr flächenintensive Fleischkonsum laut Prognose der Welternährungsorganisation FAO bis 2050 fast verdoppeln. Deshalb setzen wir Grünen uns national und europaweit für eine international anerkannte Zertifizierung mit verbindlichen ökologischen und sozialen Standards ein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, schnell auch bilaterale Zertifizierungs-Pilotprojekte anzustoßen, um in Hinblick auf Finanzierung, Überwachung und Berichterstattung praktische Erfahrungen zu sammeln. Den Import von Bioenergien, der mit dem Raubbau am Regenwald einhergeht, lehnen wir entschieden ab, ebenso wie die Produktion von Lebensmitteln auf diesen Flächen. Umweltbezogene Standards müssen Luft- und Wasserverschmutzung sowie Bodenerosion verhindern. Zudem sollen soziale Arbeitsbedingungen und Gesundheitsstandards festgeschrieben werden. Solange in Exportländern eine glaubwürdige Zertifizierung und Kontrolle nicht gewährleistet ist, muss der Import nach Europa ausgeschlossen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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