Frage an Claudia Lücking-Michel von Christoph G. bezüglich Kultur
ABLÖSUNG VON STAATSLEISTUNGEN - Noch immer erhalten die kath. und ev. Kirche jährlich hohe Geldzahlungen wg Enteignungen, die von Napoleon vor mehr als 200 Jahren vorgenommen wurden. Aktuell sind dies fast 500 Mio € pro Jahr. In der Weimarer Verfassung wurde 1919 der Auftrag erteilt, diesen alten Zopf abzuschneiden. Kirchennahe politische Kräfte haben die Umsetzung dieses Auftrags, der in das Grundgesetz übernommen wurde, seit inzwischen 98 Jahren ignoriert und zum Teil aktiv blockiert. Fühlen Sie sich dem Verfassungsauftrag zur zügigen Ablösung dieser Staatsleistungen verpflichtet? Wenn Sie in den 19. Bundestag gewählt werden: was werden Sie auf Bundesebene bis 2021 tun, um zur zügigen Erfüllung des Auftrags beizutragen?
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie richtig sagen, erhalten die beiden großen christlichen Kirchen so genannte „Staatsleistungen“, auf Grund von Ansprüchen, die ihnen eingeräumt wurden als Entschädigung für die massiven Enteignungen vor allem im Zuge der Säkularisierung.
Der Staat hat sich danach verpflichtet, den Kirchen das „Notwendige“ zu ihrem Erhalt zu geben. Unter diese Staatsleistungen im eigentlichen Sinne fallen ausschließlich solche wiederkehrende Zahlungen, die auf früheren Gesetzen oder Verträgen zur Entschädigung beruhen. Einen großen Teil ihrer laufenden Ausgaben, vor allem im Personalwesen, tragen die Kirchen aus ihren eigenen Mitteln, vor allem aus der Kirchensteuer, die, wie Sie wissen, ja nur von den Angehörigen der Religionsgemeinschaften selbst erhoben werden.
Um die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, bräuchte man eine gemeinsame Basis zwischen Bund, den Ländern und den Kirchen und auch dem Vatikan. Martin Dutzmann, Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beim Bund, sagte einmal auf die Frage, ob seine Kirche zu einer Ablöse bereit sei: "Selbstverständlich, natürlich auch, weil es grundgesetzlich vorgeschrieben ist. Allerdings kann Ablösung nicht heißen ersatzlose Enteignung. Es handelt sich um den Ersatz für entgangene Erträge aus eingezogenem Kapital. Das heißt, letztendlich müsste annähernd das Kapital wiederhergestellt werden, damit die Kirchen diesen Posten auch weiterhin in ihrem Haushalt haben können."
Laut Schätzungen müsste das zu ersetzende Kapital das 18- bis 25-fache der heutigen jährlich gezahlten Summe betragen. Mit dem Status quo fahren die Länder also besser. Immerhin: Einzelne Staatsleistungen, die erst nach 1803 eingeführt worden sind, wurden sogar schon abgelöst, so zum Beispiel in Hessen. Es gibt also Bewegung und die Kirchen zeigen Bereitschaft. Aber bei Verhandlungen müssen wir natürlich verhindern, dass der Staat am Ende schlechter fährt als bislang. Beide Seiten müssten bei Verhandlungen also aufeinander zugehen.
Freundlich grüßt Sie
Claudia Lücking-Michel