Frage an Claudia Lücking-Michel von Torsten M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Lücking Michael,
Ich hätte gern gewußt, wie Sie persönlich über eine Weiterführung der Finanzhilfen für Griechenland angesichts der aktuellen Geschehnisse (Referendum) und der Vorgehensweise der Volksvertreter Griechenlands in dieser Situation denken.
Halten Sie persönlich es für wahrscheinlich, dass Griechenland in der Lage ist entsprechende Reformen zu erarbeiten und umzusetzen, die Griechenland endlich in die Lage versetzen eine funktionierende Finanzverwaltung aufzubauen, und die entsprechenden Gesetze zu erlassen,sodass Steuereinnahmen und Staatsausgaben in einem tragbaren Verhältnis zueinander stehen?
Solange das nicht gegeben ist, wird die EU und Deutschland Steuergelder (wie in den letzten 5 Jahren) in ein Fass ohne Boden pumpen. Steuergelder , die auch hier in Deutschland u.a. angesichts der Flüchtlingsproblematik als auch der inzwischen maroden Infrastruktur dringend benötigt werden und hier sicherlich besser angelegt wären.
Ich möchte an Sie appellieren diese unsägliche Finanzhilfe abzulehnen: Griechenland kann von aussen über eine reine finanzielle Hilfe eben nicht geholfen werden, wenn das griechische Volk durch seine gewählten Vertreter nicht in der Lage ist die notwendigen Bedingungen für einen funktionierenden Staatshaushalt zu schaffen.
Mit freundlichen Grüssen
Torsten Maciol
Sehr geehrter Herr Maciol,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Griechenland.
Wie Sie wissen, hat der Deutsche Bundestag am vergangenen Freitag über ein Verhandlungsmandat abgestimmt, nicht über ein Verhandlungsergebnis. Über potenzielle Ergebnisse der nun beginnenden Gespräche zwischen der griechischen Regierung und den Gläubigern muss der Deutsche Bundestag noch einmal gesondert entscheiden.
Dann wird es mutmaßlich um Finanzhilfen in einer Größenordnung gehen, die seit den Verhandlungen in Brüssel im Raum stehen. Das ist abzusehen. Allerdings gehören für mich Solidarität und Reformen zusammen. Weniger absehbar, aber für mich entscheidend ist, ob sich die griechische Regierung jetzt endlich an Absprachen hält und Reformen durchführt. Sie hat in der Vergangenheit Vertrauen verspielt, weil sie Zusagen nicht eingehalten hat. Weitere finanzielle Hilfe ist für mich nur denkbar, wenn Regierung und Parlament die vereinbarten Reformen schnell, zuverlässig und effektiv umsetzen. Ein erster Schritt ist getan: Am Mittwoch hat das griechische Parlament von den Gläubigern eingeforderte Gesetze beschlossen.
Dazu gehörten insbesondere die Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems und die Erhöhung der Luxussteuern, sofortige Maßnahmen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit des Rentensystems als Teil eines umfassenden Programms zur Rentenreform, die Sicherstellung der vollen rechtlichen Unabhängigkeit des griechischen statistischen Amtes ELSTAT sowie die vollständige Umsetzung der maßgeblichen Bestimmungen des Fiskalpaktes.
Auch während die Verhandlungen für das dritte Hilfspaket noch laufen, muss Griechenland weitere Reformen durchführen. Dabei geht es nicht in erster Linie um "Sparpolitik", sondern um die dringend erforderliche Modernisierung des Staatswesens. Bis zum 22. Juli 2015 muss Griechenland die Zivilprozessordnung reformieren, damit Gerichtsverfahren deutlich schneller und kostengünstiger werden und wie alle anderen Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken umsetzen.
Bei aller Skepsis und bei allem Ärger über das Verhalten der griechischen Regierung in den vergangenen Wochen überwiegt aber meine Hoffnung darauf, dass es doch noch gelingen kann, in Griechenland diese und weitere Reformen mit den Verantwortlichen im Land umzusetzen. Dabei geht es mir nicht nur um die Stabilität unserer Währung und mögliche politische Schäden für die europäische Idee. Es geht um das langfristige Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, und es geht eben auch um die Menschen in Griechenland. Ob die nun anstehenden Verhandlungen zu den gewünschten Ergebnissen führen, wissen wir nicht, erst recht nicht, ob der Reformprozess zum Erfolg führen wird. Aber nicht zu verhandeln hieße schon jetzt, Verhandlungsdruck aufzugeben und Gestaltungsmöglichkeiten nicht wahrzunehmen.
Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie weiter darauf pochen wird, dass die griechische Politik Absprachen einhält und Reformen entschlossen umsetzt. Ich hoffe darauf, dass dadurch Stück für Stück Perspektiven auf Erholung der Wirtschaft und stabilere Staatsfinanzen entstehen.
Zum Thema Steuern: Deutschland bürgt aktuell in erster Linie nur für die Rückzahlung der Kredite. Die Zinsen, die für diese Kredite anfallen, bezahlt Griechenland. Ab 2020 werden die ersten Rückzahlungen fällig. Griechenland wird dann hoffentlich aufgrund der Reformen in der Lage sein, diese Kredite auch zu bedienen.
Freundlich grüßt Sie
Claudia Lücking-Michel