Frage an Claudia Jung (bürgerlicher Name Ute Singer) von Blasius S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau Singer,
mich würde Ihre Meinung zum Thema Radfahrer und Radwege interessieren. Alle reden vom Umweltschutz und dass Radfahren ein gesunder Sport ist. In der Praxis ist es aber nicht so toll. Da gibt es Radwege auf denen man maximal 15 km/h fahren kann, wegen Bordsteine, gefährlichen Einfahrten, Fußgängern oder sonstigen Hindernissen. Ein engagierter Radler bringt aber leicht 25 km/h und mehr auf den Tacho, der weicht dann gerne auf die Strasse aus, wo er dann in Konflikt mit uneinsichtigen Autofahrern kommt. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Fußgänger, langsame Sonntagsradler, schnelle Radler (die oft auf dem Weg zur Arbeit sind und dafür das Auto stehen lassen) und Autofahrer gleichberechtigt nebeneinander existieren können?
ILieber Herr Schweiger
Ich selbst fahre nicht sehr viel mit dem Radl, wenn dann nur bei uns im Dorf. Ich kann deshalb die verschiedenen Situation aus Sicht der unterschiedlichen Radlakteure nur unzulänglich beurteilen, bzw. nur aus Sicht der üblichen des Autofahrers: "Radler weg, ab auf den Radweg!" :-)
Aber ich kenne jemanden, die relativ viel mit dem Radl unterwegs ist. Was sie mir aufzeigte, war für mich zwar neu, aber hat mich auch nachdenklich gemacht. Sie vertritt im Grundsatz die These, dass die Wurzel aller Probleme zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern in der wenig konsequenten Umsetzung der Novellierung zur Straßenverkehrsordnung aus dem Jahre 1997 liegt.
Radwege gaukeln besonders innerorts oftmals eine trügerische Sicherheit vor und schaffen viel Frust. Auch bei Autofahrern, die beim Abbiegen an Kreuzungspunkten Radler oftmals übersehen. Oder mit Fußgängern bei plötzlichen Ausweichmanövern auf gemischten Radwegen. Das Unfallrisiko für Radler auf Radwegen ist bis zu 12 x höher als auf der Straße !
In der Novellierung 1997 wurde nämlich die generelle Radwegebenutzungspflicht aufgehoben und jeder Radler könnte seitdem eigentlich selbst entscheiden, auf welcher Fahrbahn er sich je nach Zustand und Situation am sichersten fühlt: z.b. fühlen sich flotte Rennradler oft wohler auf der Straße, während die Mutter mit ihrem Kind auf dem Einkaufsrad auf dem Radweg sicherer fühlt. Leider haben aber die Strassenverkehrsbehörden in der Praxis die entsprechende Beschilderungsänderung bisher nur ungenügend umgesetzt gemäß nach Abs. 9 in § 45 StVO. Die Ausnahme des Radwegegebots wurde wieder insgeheim wieder zur Regel gemacht mit den blauen Gebotsschild.
Im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags wurde dazu im März eine Petition zur Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht diskutiert. Diese wurde 2007 von rund 17.000 Bundesbürgern mitunterzeichnet. Überraschend deutlich fiel eine Klarstellung des zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium, Ulrich Kasparick (SPD), aus: "Wir haben in Deutschland keine Radwegebenutzungspflicht." Die Petition hatte somit keinen Erfolg.
Nach Auffassung Kasparicks sind die Länder seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung im Jahre 1997 in den vergangenen zehn Jahren offensichtlich nicht in der Lage gewesen, Bundesrecht ausreichend zu verstehen und anzuwenden. Die neue Fahrradakademie im Auftrag des BMVBS soll nun Städte und Stadtplaner schulen.
Wie gesagt, diese Sichtweise und Erkenntnis stammt nicht persönlich von mir, aber sie leuchtet mir zum Teil ein, weil ich auch keine besser Strategie kenne. Es wurde dazu mit unserem Landrat in Pfaffenhofen schon Gespräche geführt mit Hinweis eben auf die Akademie und die Novellierung.
Rahmen und Speichenbruch :-)
aus Oberbayern
Claudia Jung