Frage an Claudia Bögel-Hoyer von Dietmar B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Bögel,
da vermutlich demnächst eine Abstimmung zur Stationierung von Patriot Raketen in der Türkei ansteht, würde mich Ihre Meinung zu diesem Thema interessieren.
Ist Ihnen bekannt, dass das Patriot-System lediglich zur Abwehr von Raketen- und Flugzeugangriffen geeignet ist, nicht aber zur Abwehr von Mörsergranaten, die (absichtlich oder versehentlich sei dahingestellt) schon ein paar Mal auf türkischem Boden detoniert sind?
Sind Sie vor diesem Hintergrund für oder gegen eine Stationierung des Patriot-Systems in der Türkei?
Falls Sie eine Stationierung befürworten, wäre es nett, wenn Sie mir auch noch beantworten würden, welche konkrete Gefahr Sie sehen, dass die Türkei mit Raketen und Flugzeugen angegriffen werden könnte, falls die Türkei (oder verbündete von türkischem Boden aus) nicht ihrerseits zuvor ein Nachbarland überfällt?
Ich bedanke mich für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
D. Buro
Sehr geehrter Herr Buro,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gern im einzelnen beantworten möchte.
"Ist Ihnen bekannt, dass das Patriot-System lediglich zur Abwehr von
Raketen- und Flugzeugangriffen geeignet ist, nicht aber zur Abwehr von Mörsergranaten, die (absichtlich oder versehentlich sei dahingestellt) schon ein paar Mal auf türkischem Boden detoniert sind?"
Ja, mir ist bekannt, dass das Abwehrsystem Patriot und der mit ihm eingesetzte Flugkörper PAC-3 nicht zur Abwehr von Mörsergranaten eingesetzt würde, sondern zur Abwehr von Flugzeugen sowie insbesondere ballistischen Raketen. Die Anfrage der Türkei an die NATO rührt daher, dass die Türkei sich vom militärischen Potential seines in einem Bürgerkrieg befindlichen südlichen Nachbarn Syrien bedroht fühlt. Syrien verfügt über ein erhebliches Arsenal an ballistischen Raketen vom Typ Scud sowie SS-21. Damaskus wäre in der Lage mittels dieser Raketen Teile seines erschreckend großen Arsenals an chemischen Waffen zu verschießen. Da die politischen Intentionen der syrischen Führung nur schwer einschätzbar und ihre Handlungsweisen vor dem Hintergrund ihres verzweifelten Überlebenskampfes nur schwerlich voraussagbar sind, hat die Türkei sich zu diesem Unterstützungsgesuch veranlasst gesehen, um vor möglichen Drohungen oder Aggressionen Syriens auf Nummer Sicher zu gehen. Der Auftrag der Patriot-Einheiten ist also klar: Es geht einzig um die Absicherung des Territoriums des Bündnispartners Türkei.
Die Patriot-Systeme - insbesondere der zur Abwehr ballistischer Raketen optimierte Flugkörper PAC-3 optimierte, haben eine vergleichsweise kurze Wirkreichweite. Da die Systeme im Abstand von voraussichtlich 50 Kilometern zur syrischen Grenze auf türkischem Territorium eingesetzt würden, besteht keine Gefahr, dass mit den Systemen in den nördlichen Teil des syrischen Luftraums hineingewirkt wird. Damit sind auch jeglichen Spekulationen und Befürchtungen, die Patriots könnten möglicherweise zur Einrichtung einer Flugverbotszone über dem Norden Syrien zweckentfremdet werden, der Boden entzogen. Eine nüchterne Analyse des türkischen Verhaltens der letzten 1,5 Jahre zeigt zudem, dass Ankara trotz aller Provokationen und Zwischenfälle sehr besonnen und zurückhaltend agiert hat.
"Sind Sie vor diesem Hintergrund für oder gegen eine Stationierung des Patriot-Systems in der Türkei?"
Ja, absolut. Die Bundesrepublik Deutschland hat über Jahrzehnte von der Sicherheit der NATO profitiert. Jetzt, da ein Verbündeter Solidarität von uns erbittet, ist es für mich und meine Fraktion eine Selbstverständlichkeit, diesem legitimen Anliegen der Türkei zu entsprechen.
"Falls Sie eine Stationierung befürworten, wäre es nett, wenn Sie mir auch noch beantworten würden, welche konkrete Gefahr Sie sehen, dass die Türkei mit Raketen und Flugzeugen angegriffen werden könnte, falls die Türkei (oder verbündete von türkischem Boden aus) nicht ihrerseits zuvor ein Nachbarland überfällt?"
Derzeit ist keine konkrete Bedrohung der Türkei durch Flugzeuge oder ballistische Raketen Syriens bekannt. Jedoch verdeutlicht das oben beschriebene militärische Potential Syriens mit ballistischen Raketen und chemischen Waffen, welche potentiellen Bedrohungen denkbar sind. Sollte sich Damaskus in einer Kurzschlussreaktion oder in einem erratischen Akt politischer Verzweiflung zu einem Angriff mit derartigen Waffen entschließen, könnte dies für die angegriffene Türkei ohne Vorwarnung geschehen. Um in einem solchen Falle sofort handlungsfähig und abwehrbereit zu sein, müssen die Abfangsysteme im Vorfeld vor Ort stationiert werden.
Ich hoffe, Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben. Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Claudia Bögel MdB