Frage an Claudia Bögel-Hoyer von Grischa J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bögel,
es wird berichtet, beispielsweise von www.heise.de, daß Sie darauf hinweisen, daß es nicht zu einer "sozialistischen Gleichmacherei" im Netz kommen dürfe.
Aus diesem Anlaß habe ich drei Fragen an Sie:
1. Welche Bedeutung haben diskriminierungsfreie Zugänge zum Internet, der Informationsquelle des 21. Jahrhunderts, für die Bürger in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung?
2. Welche Maßnahmen sollte ein Gesellschaft ergreifen, um auch technisch weniger Versierten, gleiche Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Internet zu bewahren?
3. Wie würden Sie die Grenze ziehen, zwischen "sozialistischer Gleichmacherei" und marktwirtschaftlich notwendiger Regulierung, wie es beispielsweise durch die Bundesnetzagentur erfolgt?
Mit freundlichen Grüßen und in gespannter Erwartung Ihrer Ausführungen
Grischa Jacobs
Sehr geehrte Frau Jacobs,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema „Internet, Demokratie und Bürgerrechte“, zu dem ich im Folgenden Stellung nehmen möchte.
1. Welche Bedeutung haben diskriminierungsfreie Zugänge zum Internet, der Informationsquelle des 21. Jahrhunderts, für die Bürger in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung?
Für immer mehr Bürgerinnen und Bürger bedeutet der Zugang zum Internet eine nicht mehr wegzudenkende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am weltweiten Wissensstand unserer Zeit. Das Internet ist zu einem globalen Marktplatz für immer neue innovative Dienstleistungen zum Nutzen von Unternehmen und Verbrauchern geworden. Das Netz hat sich seit seiner Entstehung gravierend gewandelt. Es dient heute nicht mehr allein zur Recherche wichtiger Informationen, sondern bietet Unterhaltung und den elektronischen Diensten eine Übermittlungsbasis. Fast 2 Milliarden Menschen nutzen diesen Weg bereits.
Als Beauftragte für den Mittelstand, für Postpolitik und IT-Kommunikation der FDP-Bundestagsfraktion setze ich mich dafür ein, die Freiheits- und Marktfunktionen des Internets zu erhalten. Meiner Meinung nach besteht keine Alternative zu einem technologieoffenen, wettbewerbsfördernden und nach marktwirtschaftlichen Prinzipien geregelten Markt für Breitbandtechnologie. Auch im Fall von Engpässen im Netz ist und bleibt Wettbewerb das effektivste Mittel, um diskriminierende Eingriffe in den Datentransport abzuwenden.
Besonders auch für den ländlichen Raum ist ein Anschluss an das Internet mit ausreichend Übertragungsgeschwindigkeiten eine unabdingbare Voraussetzung, um von der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung nicht abgehängt zu werden. Das dürfen wir nicht vergessen! Denn nur durch eine optimale Infrastruktur kann die Wirtschaft überzeugt werden, in diese Regionen zu investieren. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ergeben sich, meiner Erfahrung nach, hieraus neue Wachstums- und Beschäftigungspotentiale. Darüber hinaus trägt der Zugang zu leistungsfähigem Internet zur sozialen Integration und zur Schaffung vergleichbarer Lebensverhältnisse zwischen den Regionen bei.
2. Welche Maßnahmen sollte ein Gesellschaft ergreifen, um auch technisch weniger Versierten, gleiche Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Internet zu bewahren?
Menschen müssen in unserer Gesellschaft prinzipiell die gleichen Voraussetzungen in ihren Kommunikations-und Informationsmöglichkeiten haben. Diesbezüglich hat die Bundesregierung mit der Breitbandstrategie bereits viel erreicht. Mittlerweile partizipieren 99 Prozent der Bevölkerung an der Breitbandtechnologie mit einer Leistung von mindestens 1 Mbit/sek. Dies begrüße ich sehr. Auch die letzten weißen Flecken auf dem Land müssen jetzt schnellstmöglich den Anschluss an das Internetzeitalter erhalten. Im Rahmen einer Doppelstrategie wird die Bundesregierung neben der Grundversorgung den Ausbau von Internet mit mindestens 50 Mbit/sek vorantreiben. Bis 2014 sollen 75 Prozent der Haushalte, bis 2018 100 Prozent der Haushalte extrem leistungsfähiges Internet erhalten können.
Am ehesten werden wir den Lückenschluss im ländlichen Raum erreichen, wenn wir nicht ausschließlich und allein auf die Installation der teuersten Zukunftstechnologien, wie der Glasfaser setzen, sondern auf alle sofort verfügbaren Technologien. Dazu gehören neben dem Ausbau des Festnetzes auch das Fernsehkabel und schnelle mobile Funktechnologien.
So bietet das kostengünstige LTE (Long Term Evolution) eine enorme Leistungsfähigkeit und bei Datenübertragungsraten von 50 - 100 Mbit/sek..
Meiner Ansicht nach brauchen wir für den zügigen Aufbau neuer Breitbandnetze alle vorhandenen Technologien und müssen vorhandene Infrastruktur so effizient wie möglich nutzen. Wesentlich verbesserte Informationen über vorhandene Leerrohrinfrastruktur und das Recht der Bundesnetzagentur eine gemeinsame Nutzung bestimmter Infrastrukturen bei den Wegerechten anzuordnen, begrüße ich als wichtige Hilfe, die Ausbaukosten zu minimieren.
3. Wie würden Sie die Grenze ziehen, zwischen "sozialistischer Gleichmacherei" und marktwirtschaftlich notwendiger Regulierung, wie es beispielsweise durch die Bundesnetzagentur erfolgt?
Ist der Kunde bereit, für qualitätsgesicherte Dienste wie zum Beispiel Skypen oder Cloud Computing zu zahlen – so stellt es sich doch heute schon dar –, dürfen solche Geschäftsmodelle nicht mit dem Dogma der Netzneutralität verhindert werden. Gerade für viele mittelständische Unternehmen können diese Angebote hochattraktiv sein. Hier darf nicht vorbeugend reguliert werden, sondern hier muss Offenheit bestehen.
Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes sieht vor, dass sich abhängig von den geografischen, demografischen und sozioökonomischen Gegebenheiten jeweils die kostengünstigste Technologie durchsetzt. Staatliche Institutionen können diesen Prozess unterstützen, vor allem unter dem Gesichtspunkt eines strengen Subsidiaritätsprinzips.
Die FDP setzt sich für eine wettbewerbliche Erneuerung der Marktaufsicht für Telekommunikationsdienstleistungen ein. Im Rahmen einer gebotenen Deregulierung auf den Endkundenmärkten ist mittelfristig die nachträgliche Marktaufsicht zu stärken. Gemeinsame Ausbauanstrengungen von Marktteilnehmern bei der Breitbandinfrastruktur sind begrüßenswerte marktwirtschaftliche Optionen und stehen im Kontrast zu planwirtschaftlichen Versorgungszielvorgaben seitens der Bundesregierung. Gemeinsames Ziel muss es sein, dass die Regulierungseingriffe der Bundesnetzagentur auf ein geringstmögliches, aber noch immer notwendiges Maß beschränkt werden.
Sollten Sie noch Fragen haben, stehe ich Ihnen gern und jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Bögel MdB