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Cindy Holmberg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Matthäus F. •

Sollten wir auf Atomstrom verzichten im tiefen Vertrauen darauf, dass unsere Nachbarn genug Atomstrom erzeugen werden, um uns damit beliefern zu können?

Selbstbetrug ist die feinste Form des Betruges; finden Sie nicht?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank, dass sich über Abgeordnetenwatch an mich wenden. Auf Ihre Frage gehe ich sehr gern ein. 

Mit den Atomkraftwerken in Brokdorf ( Schleswig-Holstein), Grohnde ( Niedersachsen) und Grundremmingen C
(Bayern) sind weitere 3 Atomkraftwerke im Dezember 2021 vom Netz gegangen. Als letzte Abschaltungen sieht das Atomgesetz die der AKWs Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 spätestens am 31. Dezember 2022 vor. 

Auf Ihre Frage, ob wir auf Atomstrom verzichten sollen, kann ich ganz klar mit ja antworten. Denn der Atomausstieg macht unser Land sicherer. Die Versorgungssicherheit in Deutschland wird weiterhin gewährleistet. Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen und im internationalen Vergleich sehr hoch. Sie bleibt auch künftig mit dem Atomausstieg auf diesem hohen Niveau. 

Deutschland liegt inmitten eines vernetzten europäischen Stromsystems. Aufgrund seiner zentralen geografischen Lage in Europa ist es ein wichtiger Partner im europäischen Strommarkt und eine Drehscheibe der europäischen Stromflüsse. Der physikalische Stromaustausch erfolgt mit elf Nachbarländern - Dänemark, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Österreich, Tschechien, Polen und über Seekabel auch mit Schweden und Norwegen. Deutschland exportierte im Jahr 2019 72,4 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom in seine Nachbarländer, während 39,8 Milliarden kWh Strom importiert wurden. In Europa verfügt Deutschland über die höchste installierte Kraftwerksleistung und erzeugt und verbraucht am meisten Strom. Dabei wächst der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch: von rund sechs Prozent im Jahr 2000 auf rund 46 Prozent im Jahr 2020. 

In Frankreich, dass 70% seiner Energie aus Atomstrom bezieht, sind derzeit 1/3 der Atomkraftwerke wegen Störungen abgeschaltet. Bei einer Kältewelle drohen ihnen wieder StromausfälleAuch die von Frankreich und China gemeinsam betriebenen Druckwasserreaktoren der dritten Generation kommen nicht ohne Störfälle aus. Taihan I wurde schließlich Ende Juli 2021 abgeschaltet. 

Die sogenannte „Renaissance der Atomkraft“ ist nichts weiter als ein falsches Versprechen. Der Bau von neuen Kernkraftwerken dauert länger als geplant und ist extrem kostspielig. Wir finden schon keine Flächen für Windkraftanlagen, woher sollen bitte die Flächen für neue Atomkraftwerke kommen? Wer soll die Versicherung übernehmen? Wer soll diese betreiben? Wer soll das Risiko tragen? Wer soll den Atommüll abnehmen? Wo soll die Fläche für die Endlagerung liegen? In Deutschland wird dieses Risiko weder der Staat noch ein Unternehmen tragen können. 

Wenn das neue französische Kernkraftwerk Flamanville 3 2023, 11 Jahre später als geplant, ans Netz gehen wird, hat es statt der geplanten 3,4 Milliarden Euro insgesamt über 19 Milliarden Euro gekostet. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/frankreich-neues-atomkraftwerk-wird-teurer-und-spaeter-fertig-17727643.html

Ich frage mich wie viel stabiler Frankreichs Stromnetz wäre, wenn die 19 Milliarden in den Bau von erneuerbaren Energien geflossen wären?

Laut einer Studie des Frauenhofer ISE belaufen sich die Kosten für die Stromerzeugung (2030) in der EU bei Windkraft bei 3-8 Cent/kWh, bei Photovoltaik bei 2-6 Cent/kWh und bei Atomkraft bei 14-19 Cent/kWh.  Atomkraft ist weder wirtschaftspolitisch noch umweltpolitisch nachhaltig. Auch unsere Baden-Württembergische Umweltministerin Thekla Walker hat der Klassifizierung von Atomkraft als klimafreundlich eine deutliche Absage erteilt. Insgesamt sind das Sicherheitsrisiko und die volkswirtschaftlichen Kosten von Atomenergie zu hoch. Die Endlagersuche für radioaktive Abfälle ist ebenfalls bisher zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen.

Aus diesem Grund setzen wir Grünen und auch die neue Bundesregierung auf den schnelleren Ausbau von erneuerbaren Energien. Sie sind die günstigste, klimafreundlichste und nachhaltigste Form der Stromerzeugung. Die grün-geführte Landesregierung hat als erste bundesweit eine Solarpflicht auf Dächern eingeführt. Auch die neue Bundesregierung hat ihre Pläne dazu erst kürzlich vorgestellt. Die von Minister Robert Habeck vorgestellten Sofortmaßnahmen können Sie hier nachlesen: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/01/20220111-habeck-legt-eroffnungsbilanz-klimaschutz-vor.html

Insgesamt wird deutlich, dass die Atomenergie eine teure Sackgasse ist.

Sollten Sie weitere Fragen oder Anregungen haben, können Sie sich jederzeit gerne wieder an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen,

Cindy Holmberg MdL

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