Warum wolen die Grünen die Deutschen Bürger nur Sackhüpfen (Bürgerräte) und nicht Weitspringen (Direkte Demokratie) lassen? Sind Sie auch dieser Meinung?

Grundsätzlich finde ich, dass wir mit unserer parlamentarischen Demokratie eine gute Regierungsform etabliert haben. Keine andere Staatsform hat uns in Europa eine so lange Friedenszeit beschert.

Trotzdem können und sollten wir unser System immer wieder auf den Prüfstand stellen und fortlaufend verbessern. Wir leben in einer immer komplexeren Welt und das Bedürfnis der Menschen sich bei wichtigen Fragen zu beteiligen ist heute anders als noch vor 75 Jahren. Eine stärkere und direkte Einbindung der Menschen durch Elemente einer direkten Demokratie ist also durchaus geboten. Unterschiedliche Instrumente sind auf den verschiedenen politischen Ebenen ja auch bereits geübte Praxis. Es wurden jedoch auch Hürden eingebaut, da direkte Demokratieelemente aufwändig und teuer sein können.

Volksabstimmungen stellen erst einmal eine breitere Form der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern dar, weil alle aufgerufen sind, ein Votum abzugeben. Eine echte Einbindung mit einem tiefen Diskurs findet deswegen jedoch nicht unbedingt statt. Das öffnet Interessengruppen mit hohen "Werbeetat" Möglichkeiten einer einseitigen Einflussnahme.

In Bürgerräten können Debatte differenzierter geführt werden. Zufällig ausgewählte Vertreter aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen stellen sich nicht einfach einer Entscheidung sondern einem ausgewogenen Entscheidungsprozess mit vorheriger breiter Information. Auch aus diesem Grund haben wir Grüne uns nach intensiver Debatte 2020 in unserem Grundsatzprogramm für die Einführung von Bürgerräten und gegen Volksabstimmungen ausgesprochen. 

Ich persönlich habe unter bestimmten Voraussetzungen dennoch Sympathien für Volksentscheide. Auch  in der parlamentarischen Demokratie können Volksabstimmungen bei weitreichenden Sachfragen, die auch kommende Generationen betreffen (z.B. Klimapolitik), eine wichtige Leitschnur bilden.