Frage an Christine Scheel von Marc S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Scheel.
Die Finanzkrise ist eines der Top-Wahlkampf Themen. Alle wollen eine weitere Krise verhindern und versprechen Reformen, die aber alle nicht viel mehr als Symptombekämfung sind, wie erweiterte Regulierung und mehr Einsicht- und Kontrollmöglichkeiten durch den Staat, etc. Kein Politiker allerdings erwähnt, dass unser Finanzsystem grundsätzlich so ausgelegt ist, dass es solche Krisen hervorbringen muss.
Erstens das Inumlaufbringen von Geld über Kredite. Die Zinsen für diese Kredite können aber nur durch weitere Kredite bezahlt werden, da Geld eben ausschliesslich über Kredite in Umlauf kommt. Permanent muss irgend jemand einen Kredit aufnehmen, damit jemand anders seine Zinsen bezahlen kann. (Derzeit macht das der Staat für Banken und Firmen durch die Konjunkturprogramme.)
Zweitens die Geldansammlung im Finanzkreislauf (Aktien, Spekulationen, etc.). Da es mehr Gewinn bringt, das Geld für Spekulation und Zinsgewinn zu benutzen, fliesst es in den Finanzkreislauf und fehlt im Wirtschaftskreislauf (für Warenproduktion, Warenkäufe, Investitionen, etc.).
Drittens die (massive) Giralgeldschöpfung durch die Privatbanken, die die oben genannte "Finanzblase" damit noch zusätzlich aufblähen.
Die Bundesbank bzw. EZB hat praktisch keine Macht mehr über die Geldmenge. Diese wird nur noch durch die Privatbanken gesteuert, für die nur Gewinn und nicht funktionierende Wirtschaft zählt, wie an der "Kreditklemme" zu sehen ist.
Das Wirtschaftswachstum, das wegen des "Schuldgeldes" notwendig ist, kann nicht auf Dauer aufrechterhalten werden. Wachstumszwang um jeden Preis endet in Ausbeutung von Mensch und Natur. Und wir können nicht unendlich wachsen.
Sehen Sie die Notwendigkeit, die(se) Ursachen der Finanzkrisen zu bekämpfen? Z.B. durch Maßnahmen, wie "umlaufgesichertes Geld" oder zinsfreies Geld durch die "Monetative".
Mit freundlichen Grüßen,
Marc Sierszen.
Sehr geehrter Herr Sierszen,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Frage der Geldschöpfung.
Es ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte, dass es besser ist, wenn der Staat selbst nicht das Geldschöpfungsrecht ausüben darf. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Recht zur Geldschöpfung erst an die unabhängige Bundesbank und seit Einführung des Euros an die Europäische Zentralbank (EZB) delegiert. Bisher ist die Bundesrepublik Deutschland mit dieser Machtteilung gut gefahren. Die EZB hat die wesentliche Aufgabe Preisstabilität zu gewährleisten (d.h. Inflation zu vermeiden), und den Wirtschaftskreislauf mit Liquidität zu versorgen.
Wenn der Staat (Bund und Länder) sich verschuldet, dann muss er auf dem Kapitalmarkt Staatsanleihen verkaufen und für diese Zinsen an die Käufer/innen von Anleihen bezahlen. Durch den Konjunktureinbruch in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise nimmt die Neuverschuldung von Bund und Ländern leider rasant zu, so dass die Gesamtverschuldung aller öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik bald 1,75 Billionen Euro erreichen wird oder fast 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland wird nach Ansicht der Bundesbank erneut gegen die Verschuldungskriterien des Maastrichter Vertrages verstoßen (vgl. http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2009/200908mb_bbk.pdf , Seite 68 ff) Für uns Grüne ist klar, dass in der kommenden Legislaturperiode ein großer Haushaltskonsolidierungsbedarf besteht, um die Neuverschuldung von Bund und Ländern wieder senken zu können. Wir halten deshalb Steuersenkungsversprechen seitens der FDP und der Union für unverantwortlich, weil die Zins- und Tilgungslasten der öffentlichen Haushalte zurückgefahren werden müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Scheel