Frage an Christine Scheel von Christian W. bezüglich Verbraucherschutz
Guten Tag, Frau Scheel,
Sie schreiben in Ihrem abgeordnetenwatch.de Profil sowie auf Ihrer Homepage, dass die Zeit reif sei für die "Verteidigung der Freiheit gegen Bevormundung und Überwachung."
Nun ist die Geschichte des Abstimmverhaltens der Grünen (nicht nur) als Regierungspartei alles andere als ein Eintreten für die "Verteidigung der Freiheit". So wurden von der Rot-Grünen Koalition (der Sie persönlich angehört haben) die Sicherheitspakete von Otto Schilly 2001 und 2002 initiert und verabschiedet. Diese Gesetzespakete werden heute von Verfassungs- und Bürgerrechtsexperten als der Dammbruch für den fortwährenden Abbau unserer Grundrechte betrachtet. Daneben wurde die Wiedereinführung des Großen Lauschangriffs 2005 von den Grünen mitgetragen, ebenso wie das (inzwischen in weiten Teilen vom Verfassunggericht als Verfassungsfeindlich und nichtig befundene) Luftsicherheitsgesetz, nur um einige Beispiele zu erwähnen.
Auch die letzten Wochen haben keine gutes Licht auf das Thema "Die Grünen und Grundrechte" geworfen. Hier sei exemplarisch auf die öffentlichte Unterstützung von Internet Zensur durch den Bremer Grünen Fraktionsvorsitzenden, Güldner, verwiesen.
Warum haben die Grünen als Partei und Sie als MdB in der Vergangenheit so einschneidende Eingriffe auf unsere Grundrechte nicht nur nicht verhindert, sondern auch aktiv unterstützt?
Wie erklären Sie uns, den Wählern, diesen eklatanten Widerspruch zwischen Ihrem öffentlich erklärten Absichten und Ihrem tatsächlichen politischen Handeln?
Würden Sie heute in diesen Fällen wieder genauso abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Wilms
Sehr geehrter Herr Wilms,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Verteidigung der Freiheit gegen Bevormundung und Überwachung. Wir Grünen haben in unserem Wahlprogramm eindeutige Positionen zur Verteidigung der Grundrechte gegen Bevormundung und Überwachung festgelegt (vgl. http:www.gruene.de ). Insbesondere im Kapitel "Digital ist besser- für ein freies Internet" sind unsere Grundüberzeugungen festgehalten. Das Handeln in Regierungskoalitionen unterliegt Verhandlungsprozessen, die zu politischen Kompromissen führen. Nicht jeder gefundene Kompromiss hält im Rückblick berechtigter Kritik stand. Im Fall der Abstimmung zum Gesetz zur Bekämpfumg der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen bin ich jedoch anderer Auffassung als Sie. In einer Persönlichen Erklärung zur Abstimmung zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen habe ich mein Abstimmungsverhalten begründet (siehe nachstehend). Der in der Anlage beigefügte Entschließungsantrag der Bundestagsfraktion zum Gesetz der Bundesregierung hält unsere gemeinsame Grundüberzeugung fest.
"nach § 31 GO-BT zur Abstimmung zum Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen
Kinderpornografie ist eine der widerlichsten Formen von Kriminalität. Man macht Geschäfte mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern, traumatisiert sie und zerstört Lebenswege. Die Verbreitung von kinderpornographischem Material ist ein Straftatbestand und muss deshalb mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verhindert werden. Das gilt für alle Verbreitungswege. Deshalb ist es grundsätzlich richtig, eine gesetzliche Grundlage für die Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet zu schaffen.
Trotzdem ist die Kritik an dem vorliegenden Gesetzentwurf berechtigt wie sie auch in dem bündnisgrünen Entschließungsantrag zu diesem Gesetz formuliert ist. In vielen Punkten teilen wir die kritische Bewertung des Gesetzentwurfs: Er erfüllt die Kriterien des Rechtsstaats nur unzureichend, der Datenschutz ist nicht hinreichend gewährleistet und er birgt die Gefahr, dass unsere Medienordnung aus der Balance gerät. Schwere Bedenken hat auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung geäußert, der die ihm zugedachte Aufgabe als wesensfremd für sein Amt einstufte. Das Gesetz ist zudem technisch unzureichend, nicht sachgerecht und zu wenig spezifisch auf die Notwendigkeiten im Kampf gegen Kinderpornographie und sexuelle Ausbeutung von Kindern in Kommunikationsnetzwerken ausgerichtet.
Dennoch sagen wir ganz klar: Kinderpornographie im Internet ist mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Auch ausländische Seiten mit kinderpornographischem Inhalt müssen konsequent aus dem Internet entfernt werden, so wie dies bereits mit deutschen Seiten nach rechtsstaatlichem Verfahren geschieht. Es kann auch gute Gründe geben, Internetseiten mit Kinderpornographie zu sperren. Unser Ziel ist die Löschung solcher Seiten und wenn dies nicht möglich ist, den Zugang zu sperren: Kinderpornographie fügt den betroffenen Kindern schwerste Verletzungen zu und traumatisiert sie oftmals fürs Leben. Das dürfen wir nicht zulassen!
In der Vergangenheit hat das staatliche Vorgehen gegen Kinderpornographie im World Wide Web Erfolge gebracht. Kinderpornographische Angebote wurden aufgespürt, ihre Entfernung verfügt und Strafverfahren eingeleitet. Und es gibt das Mittel der richterlichen Sperrverfügung, mit dem Internet-Zugangs-Anbieter gezwungen werden können, durch technische Maßnahmen den Zugang ihrer Kunden zu bestimmten Internetangeboten zu verhindern. Dieses Mittel soll weiterhin angewendet und schneller eingesetzt werden. Deutlich ist jedoch auch, dass mit den sich rasch entwickelnden technischen Möglichkeiten und der kriminellen Energie der Täter neue Handlungsfelder im Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern entstanden sind und dieser Herausforderung wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht gerecht.
Daher können wir diesem Gesetz nicht zustimmen und werden uns enthalten.
Dennoch müssen wir alle daran arbeiten, Kinderpornographie auch aus dem Internet zu verbannen. Der Kampf gegen Kinderpornographie und Ausbeutung von Kindern darf jedoch nicht bei den gesetzlichen Regelungen im Internet stehen bleiben. Wir brauchen und fordern einen nationalen Aktionsplan auf allen Ebenen sowie die bessere Ausstattung aller zuständigen Behörden mit Personal und Sachmitteln.