Frage an Christine Lambrecht von Joachim B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
mit Interesse habe ich Ihr Abstimmungsverhalten hinsichtlich der Diätenerhöhung im deutschen Bundestag zu Kenntnis genommen.
Bitte erklären Sie mir diese absolut überzogene Diätenerhöhung von fast 10 % innerhalb eines Jahres. Es geht hier um einen Betrag, von dem sehr viele Bürgerinnen und Bürger in D einen Monat lang leben müssen. Auch vor dem Hintergrund, dass in Deutschland die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht und Deutschland nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung, in der die Vermögensungleichheit in der EU nach dem Gini-Koeffizient (Der Wert Eins besagt in dem Fall, dass die Ungleichheit maximal ausgeprägt ist, bei Null ist sie minimal) untersucht wurde, mit einem Wert von 0,78 als Schlusslicht in der EU fungiert, erscheint mir diese Erhöhung als maßlos (zum Vergleich: USA 0,87).
Wir Bürgerinnen und Bürger hören seit Jahren nur noch von Schuldenbremsen, Gürtel enger schnallen, die fetten Jahre sind vorbei, Kürzungen in allen sozialen Bereichen, Arbeitszeiterhöhungen, Lohn- und Gehaltskürzungen, marode Infrastruktur, Personalkürzungen in allen Verwaltungsbereichen, mit gravierenden Folgen im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit vor allem in den Landesfinanzverwaltungen, usw. Als Gegenstück sehen wir Selbstbedienungsmentalität allenthalben: Diätenerhöhung, Aufblähung aller Parlamente, Verquickung von Politik und Wirtschaft (z.B. von Klaeden, Pofalla), unnötige Großprojekte zu Lasten der Steuerzahler wie z.B. Elbphilharmonie, BER, Kassel-Calden, Stuttgart 21, Millionschwere Steuerhinterzieher die sich mit Hilfe des unsäglichen gesetzlichen Instruments der Selbstanzeige Straffreiheit erkaufen können (der Ladendieb kann auch nicht nach seinem Delikt die gestohlene Ware zurück bringen und auf Straffreiheit hoffen). Die Politikverdrossenheit in Deutschland hat viele Gründe!
Mit Spannung erwarte ich Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Brenneis
Sehr geehrter Herr Brenneis,
Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung („Diät“).
Die Diäten oder wie es im Grundgesetz heißt die „Entschädigung“ der Abgeordneten sind eine demokratische Errungenschaft. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Wir brauchen daher eine angemessene Abgeordnetenentschädigung.
Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Wahlberechtigte in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben?
Der Deutsche Bundestag hat Ende 2011 einvernehmlich eine unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts eingesetzt. Auftrag der Kommission war es, Vorschläge für ein transparentes, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechendes Verfahren für die Höhe der Abgeordnetenentschädigung und deren zukünftige Anpassung sowie für die Altersversorgung der Abgeordneten vorzulegen.
In ihren Empfehlungen rät die Kommission, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten (R 6) zu orientieren. Die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Damit ist ein nachvollziehbarer und zuverlässiger Bezugsrahmen gefunden, der den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Orientierung bietet als z. B. die große Bandbreite der Bezüge von freiberuflich Tätigen, Geschäftsführern und Vorständen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte. Dies entspricht der Größe eines Wahlkreises, der etwa 250 000 Einwohner umfasst.
„R 6“ als Orientierungsgröße entspricht zwar der bereits seit 1995 bestehenden gesetzlichen Regelung, tatsächlich haben die Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung. Gegenwärtig beträgt die Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten ca. 830 Euro.
Die Entschädigung der Abgeordneten, Ihre Altersversorgung und die Neuregelung der Abgeordnetenbestechung sind ein Gesamtpaket und müssen auch in dieser Gesamtheit betrachtet werden:
Neuregelungen zur Abgeordnetenentschädigung und Abgeordnetenbestechung zu Beginn der 18. Wahlperiode
Unsere Demokratie braucht finanziell unabhängige und unbestechliche Abgeordnete. Mit dem freien Mandat und dem Auftrag, Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes zu sein wäre es unvereinbar, wenn finanziell abhängige Abgeordnete im Parlament entscheiden oder wenn sie Entscheidungen aufgrund illegitimer Vorteile treffen respektive unterlassen.
Deshalb stellen wir uns zu Beginn dieser Wahlperiode gleich zwei großen Herausforderungen:
Wir regeln die Abgeordnetenentschädigung und die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu.
Unsere repräsentative Demokratie braucht unabhängige Abgeordnete. Deswegen bestimmt unser Grundgesetz in Artikel 48, dass Abgeordnete Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Deshalb werden wir die Entschädigung der Abgeordneten einerseits an die Bundesrichterbesoldung anpassen, andererseits für die Zukunft an die Bruttolohnentwicklung der abhängig Beschäftigten koppeln.
Unsere Demokratie baut auf die Unbestechlichkeit von Abgeordneten. Artikel 38 unseres Grundgesetzes besagt, dass Abgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Dies wollen wir mit einer konsequente Bestrafung der Abgeordnetenbestechung sicherstellen. Bislang ist in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordneten-stimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Wir werden weitere strafwürdige Manipulationen bei der Mandatswahrnehmung verbieten.
1. Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung
Die Verfassung spricht von einer angemessenen, ihre Unabhängigkeit sichernden Entschädigung (Artikel 48 Grundgesetz). Die Leitlinien hierzu hat das Bundesverfassungsgericht mit dem „Diäten-Urteil“ vom 5. November 1975 aufgestellt:
Die Entschädigung muss „eine ausreichende Existenzgrundlage abgeben können“ und „der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden.“ Die Bemessung des parlamentarischen Einkommens darf die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten ebenso wenig gefährden wie die praktische Möglichkeit, sich seiner eigentlichen parlamentarischen Tätigkeit auch um den Preis zu widmen, Berufseinkommen ganz oder teil-weise zu verlieren.
Seit 1995 ist im Abgeordnetengesetz verankert, dass Maßstab die Besoldung von Richtern an einem obersten Gerichtshof des Bundes mit R 6 (mit Zulage und Familienzuschlag, bzw. B 6) sein soll. Diese Orientierungsgröße wurde jedoch in den letzten Jahren nicht erreicht.
2011 hat der Deutsche Bundestag einvernehmlich beschlossen, eine unabhängige Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts einzusetzen. Diese Kommission sollte Empfehlungen für ein Verfahren für die künftige Anpassung der Abgeordnetenentschädigung und für die zukünftige Regelung der Altersversorgung von Abgeordneten nach Art. 48 Abs. 3 GG vorlegen. Die aus neun Mitgliedern bestehende Kommission hat ihren Bericht dem Bundestagspräsidenten am 18. März 2013 übergeben (BT- Drs. 17/12500).
Diese Kommission kam übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Bezüge eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes die angemessene Ausgangsgröße für die Abgeordnetenentschädigung sind. Ausgehend von dieser Ausgangsgröße soll die weitere Anpassung der Abgeordnetenentschädigung künftig dem Nominallohnindex und damit der Verdienstentwicklung der abhängig Beschäftigten folgen.
Der vorliegende Gesetzentwurf greift diese Vorschläge auf und setzt sie um.
Ihre Stellung, Tätigkeit und Verantwortung der Bundesrichter ist mit der der Abgeordneten am ehesten vergleichbar. Abgeordnete wie die Bundesrichter an den obersten Gerichtshöfen nehmen ihre Tätigkeit in verfassungsrechtlich garantierter Weisungsfreiheit und mit Wirkung für das gesamte Bundesgebiet wahr.
Richtschnur ist das von der unabhängigen Kommission empfohlene Richtergrundgehalt der Besoldungsgruppe R 6 (8.726 Euro) einschließlich Zulage für die Richter dieser Besoldungsgruppe bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (356 Euro). Dies ergibt den Betrag von 9.082 Euro. Nicht gefolgt wird dem Vorschlag der Kommission, die Abgeordnetenentschädigung auch um den Familienzuschlag zu erhöhen. Dieser ist, weil vom individuellen Familienstand abhängig, aus unserer Sicht für die Abgeordnetenentschädigung keine sachgerechte Komponente.
Die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung an die Besoldung für Richterinnen bzw. Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes erfolgt in zwei Stufen: mit Wirkung zum 1. Juli 2014 auf 8.667 Euro und mit Wirkung zum 1. Januar 2015 auf 9.082 Euro.
Ab 2016 wird die Entwicklung der Entschädigung der Abgeordneten dann an die Bruttolohnentwicklung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekoppelt. Damit wird der von der Kommission empfohlene sogenannte Nominallohnindex Maßstab für die Diätenhöhe. Dieser Index wird stets vom Statistischen Bundesamt ermittelt. Dieses stellt zugleich die prozentuale Veränderung zum Vorjahr fest. Diese muss nicht zwangsläufig positiv, sondern kann auch negativ sein. Auf Basis der Prozentangabe errechnet der Bundestagspräsident die entsprechend angepasste Höhe der Abgeordnetenentschädigung. Angepasst wird jährlich jeweils zum 1. Juli, beginnend ab dem 1. Juli 2016. Die neue Höhe wird in einer Drucksache veröffentlicht. Damit ist die jährliche aktuelle Entschädigungshöhe für die Öffentlichkeit transparent.
Das Anpassungsverfahren ist kein Automatismus. Vielmehr muss der Bundestag zu Beginn jeder Wahlperiode neu und binnen drei Monaten entscheiden, ob er dieses Verfahren beibehält.
2. Absenkung der Altersversorgung
Die Alters- und die Hinterbliebenenversorgung für die Abgeordneten und ihre Familien ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls Bestandteil des Anspruchs auf eine angemessene Entschädigung nach dem Grundgesetz.
Die Kommission war der Auffassung, dass es zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrer wirtschaftlichen Existenz ein hinreichend ausgestattetes Alterssicherungssystem geben müsse. Sie hält die Höhe des geltenden Versorgungsniveaus für angemessen und verfassungskonform.
Die Kommission hat sich nicht auf einen Vorschlag einigen können. Eine Mehrheit hat sich aber für die Beibehaltung der bisherigen Altersversorgung ausgesprochen.
Weitere diskutierte Modelle haben nicht überzeugt.
So wäre eine Umstellung auf ein anderes System (Eigenvorsorge, Versorgungswerk etc.) grundsätzlich nicht kostengünstiger. Die Mittel stammten letztlich aus dem Bundeshaushalt.
Wir haben uns daher entschieden, grundsätzlich an dem bisherigen System festzuhalten. Allerdings haben wir die geltenden Regeln kritisch überprüft und schlagen einige Absenkungen bei der Altersversorgung vor:
- Der Höchstsatz der Altersversorgung wird von 67,5 Prozent auf 65 Prozent abgesenkt.
- Die bisherige Möglichkeit, vorzeitig Altersentschädigung ohne Abschläge zu beanspruchen wird gestrichen (unter Wahrung des Bestandsschutzes für bereits erworbene Ansprüche).
- Eine vorzeitige Altersentschädigung kann künftig – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung - nur mit Abschlägen in Anspruch genommen werden (Der Abschlagsbetrag beträgt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung 0,3% pro vorzeitig in Anspruch genommenen Monat).
- Damit wird die Altersgrenze, ab der die – nunmehr abgesenkte - Altersentschädigung in Anspruch genommen werden kann von bisher 55 bzw. 57 Jahre auf frühestens mit 63 Jahre her aufgesetzt.
Die Möglichkeit für Abgeordnete, „vorzeitig in den Ruhestand“ zu gehen, wird damit stark eingeschränkt. Damit werden Kommissionsempfehlungen aufgegriffen. Das reguläre „Ruhestandsalter“ liegt auch bei Abgeordneten bei 67 Jahren. Bislang kann die Altersentschädigung jedoch um bis zu zehn Jahre vorgezogen werden, sofern die im Gesetz geregelten Voraussetzungen vorliegen. Wegen der allgemeinen Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist dieses nicht länger akzeptabel. Deshalb wird diese Möglichkeit - unter Wahrung des Bestandsschutzes für bereits erworbene Ansprüche und Anwartschaften - abgeschafft.
3. Funktionszulagen für Ausschussvorsitzende
Die Unabhängige Kommission schlägt eine Funktionsvergütung für Vorsitzende von Ausschüssen des Deutschen Bundestages vor. Die Kommission argumentiert, dass Ausschussvorsitzende - neben dem Präsidium – den Arbeitsprozess im Parlament organisieren und daher für diese Aufgaben ein höheres Arbeitspensum haben.
Um dem gerecht zu werden, wird den Vorsitzenden der Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse und Enquete-Kommissionen künftig eine nicht ruhegehaltsfähige Amtszulage in Höhe von 15 Prozent der monatlichen Abgeordnetenentschädigung gewährt.
4. Stärkere Kürzungen der Kostenpauschale
Die Kostenpauschale wird spürbar gekürzt, wenn Abgeordnete
– entschuldigt oder unentschuldigt – an einem Sitzungstag im Plenum fehlen. Während die Kostenpauschale in den letzten Jahren gestiegen ist, wurden die Abzugsbeträge lange nicht angepasst.
Folgende Beträge werden bei Nichteintragung in die Anwesenheitsliste und dem Fehlen eines anderweitigen Anwesenheitsnachweises von der Kostenpauschale künftig einbehalten:
- bei unentschuldigtem Fehlen an Sitzungstagen mit Plenum 200 Euro statt bisher 100 Euro, an Sitzungstagen ohne Plenum 100 Euro statt bisher 50 Euro (§ 14 Abs. 1 AbgG).
- bei entschuldigtem Fehlen an Sitzungstagen mit/ohne Plenum 100 Euro statt bisher 50 Euro
(§ 14 Abs. 1 AbgG).
- bei unentschuldigt versäumter namentlicher Abstimmung oder Wahl mit Namensabstimmung statt bisher 50 Euro nunmehr 100 Euro (§ 14 Abs. 2 AbgG). (Wird die Teilnahme an zwei oder mehreren Abstimmungen an einem Tag versäumt, erfolgt der Abzug nur einmal.)
5. Anrechnung von Renten auf die Entschädigung in § 29 Abs. 2 Satz 2
Die unabhängige Kommission hat eine Absenkung des Anrechnungsbetrages von 80% auf 50% empfohlen um den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben der Abgeordnetenentschädigung eines aktiven Abgeordneten ruhen. Dies wird in dem Gesetzentwurf umgesetzt.
Mit der Absenkung wird berücksichtigt, dass die Beiträge zur Rentenversicherung und zur betrieblichen Altersversorgung aus einem Arbeitsverhältnis des Abgeordneten stammen. Die Absenkung um 50 Prozent entspricht dem Satz, mit dem der Abgeordnete vorher der Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hat.
6. Abgeordnetenbestechung
Abgeordnete sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes, sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. So besagt es Artikel 38 unseres Grundgesetzes.
Politik und damit auch jeder und jede Abgeordnete ist auf Informationen, Meinungsaustausch, dem Werben für Positionen und der Artikulation unterschiedlicher Interessen angewiesen. Der Austausch von Meinungen und die Durchsetzung von Auffassungen und Interessen sind Kernbestandteile unserer pluralistischen Gesellschaft.
Ist transparent und nachvollziehbar, wie die Gesetze entstehen und von wem welche Interessen vertreten und Einfluss genommen wird, erhöht das die Akzeptanz der Ergebnisse bei den Bürge-rinnen und Bürgern.
Wenn allerdings die Durchsetzung von Interessen gegenüber der Legislative mit illegitimen Vorteilen oder Geldzahlungen einhergeht, werden die Regeln einer fairen Wahrnehmung von Interessen verletzt. Korruption, Klüngelwirtschaft und undurchsichtige Mauscheleien beschädigen die demokratischen Institutionen und zerstören das Vertrauen in die Politik.
Bislang war in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordnetenstimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Alles andere bleibt straffrei. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dies zu ändern. Strafwürdige Manipulationen bei der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats sollen künftig geahndet werden können. Zugleich schaffen wir die Voraussetzung, dass Deutschland die bereits 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption endlich umsetzen kann.
Künftig wird bestraft, wer einer Mandatsträgerin/ einem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass die Abgeordnete oder der Abgeordnete bei Mandatswahrnehmung eine vom „Auftraggeber“ gewünschte Handlung vornimmt beziehungsweise unterlässt. Umgekehrt trifft es die Abgeordneten, wenn sie für solche Handlungen einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. „Vorteile“ meint materielle genauso wie immaterielle Vorteile. Die Straftat kann mit bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.
Ungerechtfertigt ist der Vorteil insbesondere dann nicht, wenn seine Annahme im Einklang mit den Vorschriften über die Rechtsstellung der Abgeordneten (Abgeordnetengesetz und Verhaltensregeln) steht. Klargestellt ist zudem, dass ein politisches Mandat oder eine politische Funktion oder eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Spende keinen ungerechtfertigten Vorteil darstellen.
Schlussbemerkungen
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind in der besonderen Situation, selbst über ihre Abgeordnetenentschädigung entscheiden zu müssen. Dazu gibt es keine verfassungsrechtlich zulässige Alternative. Diese Haltung des Bundesverfassungsgerichts wird immer wieder kritisiert, hat aber auch den Vorteil, dass Erhöhungen von Abgeordnetenentschädigungen transparent und öffentlich nachvollziehbar geschehen.
Abgeordnete des Deutschen Bundestages verdienen zwar weniger als Führungskräfte in der Wirtschaft oder Verbänden. Das ist aber unproblematisch, denn sie verdienen mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Dessen sind wir uns sehr bewusst. Wir sind in der Politik, weil wir die Gesellschaft gestalten wollen, nicht weil wir viel verdienen wollen.
Wir möchten erreichen, dass unsere Entscheidung plausibel und nachvollziehbar ist. Daher haben wir in der letzen Wahlperiode die Unabhängige Kommission eingesetzt. Die Ergebnisse des Berichtes sind in der Öffentlichkeit auf Akzeptanz gestoßen. Daher ist es jetzt ein richtiger Schritt, sowohl bei der Höhe als auch bei der Art der jährlichen Anpassung den vorgeschlagenen Weg zu gehen.
Die Höhe orientiert sich künftig an der Besoldung eines Bundesrichters, die jährlichen Anpassungen an der Entwicklung der Bruttolöhne.
Wir machen damit nicht nur für jetzt einen akzeptablen Vorschlag, sondern legen auch für die Zukunft die Grundlage für einen Konsens über die Frage „was Abgeordnete verdienen sollen“.
Übrigens: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern. Dabei wird es auch bleiben.
Ich habe die Hoffnung, dass es mit diesen Hinweisen zu einer Versachlichung der Debatte kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB