Frage an Christine Haderthauer von Isabella O. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Haderthauer,
ich wende mich als Mutter einer erwachsenen, behinderten Tochter an Sie.
Nachdem die Weisungsberechtigung des SGB XII - Viertes Kapitel, (Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung) seit 01.01.2013 beim Bund, und die obere Fachaufsicht beim Staatsministerium liegt, möchte ich Sie fragen, ob nun eine Änderung der Abzweigungspraxis der Sozialämter in naher Zukunft zu erwarten ist.
Laut BMAS können solche Abzeigungsanträge nur in Ausnahmefällen gestellt werden, und zwar, wenn die Eltern selbst Sozialleistungen, z.B. ALG-II beziehen, oder das erwachsene, behinderte Kind im Heim untergebracht ist, und den Eltern dadurch keinerlei Kosten entstehen.
Bereits im Juni 2011 hat der bay. Landtag die Praxis der Sozialämter scharf kritisiert und eine Resolution erlassen.
Viele Eltern, die völlig grundlos von der Abzweigung des (anteiligen) Kindergeldes betroffen sind, und neben der Pflege und Betreuung ihrer zum Teil schwerstbehinderter Kinder nun auch noch gerichtliche Schritte einleiten mussten und immer noch müssen, da diese Abzweigungsanträge von einigen Sozialämtern weiterhin gestellt werden, hoffen sehr auf eine baldige Änderung dahin, dass die Abzweigungsanträge nur in den berechtigten Fällen gestellt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Isabella Ouro-Gbele
Sehr geehrte Frau Ouro-Gbele,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Eltern behinderter Kinder haben Anspruch auf Kindergeld auch nach dem 25. Lebensjahr des Kindes, wenn sich ihr behindertes Kind nicht aus eigenem Einkommen selbst unterhalten kann. Die Leistung des Kindergeldes ist im Einkommenssteuerrecht verankert. Dort sieht § 74 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) vor, dass das Kindergeld im Grundsatz an diejenige Person oder Stelle ausgezahlt werden soll, die dem Kind tatsächlich Unterhaltsleistungen gewährt.
Erhält das Kind soziale Leistungen (etwa Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Hilfe zum Lebensunterhalt), ist der entsprechende Sozialhilfeträger wegen des Grundsatzes der Nachrangigkeit von Sozialhilfeleistungen verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob vorrangige Leistungsansprüche bestehen bzw. solche geltend gemacht werden können. Hierzu zählt auch die in § 74 EStG vorgesehene Möglichkeit der (vollen oder teilweisen) Abzweigung des Kindergeldes, wenn der Kindergeldberechtigte entgegen der Regelvermutung des EStG nicht mit Leistungen zur Sicherung des Unterhalts eines Kindes belastet ist.
Der Sozialhilfeträger ist dabei lediglich befugt, die Abzweigung des Kindergeldes zu beantragen. Die endgültige Prüfung und Entscheidung im Einzelfall obliegt der jeweils zuständigen Familienkasse.
Ich habe jedoch schon am 12. April 2011 in einem Gespräch mit den Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände dringend darum gebeten, Abzweigungsanträge „mit Augenmaß“ zu prüfen. Wie Sie wissen, hat sich auch der Bayerische Landtag in seiner Resolution für eine bürgerfreundliche Handhabung der Abzweigungspraxis ausgesprochen.
Macht ein Sozialhilfeträger dennoch von der Möglichkeit Gebrauch, die Abzweigung zu beantragen, so kann dies mit rechtsaufsichtlichen Mitteln nicht verhindert werden, da es im Gesetz so vorgesehen ist. Über den Antrag auf Abzweigung hat letztlich die zuständige Familienkasse zu entscheiden, die als Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit nicht der Aufsicht des bayerischen Sozialministeriums, sondern der Aufsicht des Bundes untersteht.
Sie können aber versichert sein, dass auch ich weiterhin auf die Sozialhilfeträger mit dem Ziel einwirken werde, dass Abzweigungsanträge nur in begründeten Ausnahmefällen gestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Haderthauer